20170502-088-weissachmit-blauberg, © Hörth_Ludwig

Naturschutzgebiet Weißachau

Die südlich des Tegernsees liegende Weißachau ist eine der schönsten Tallandschaften des Alpennordrandes. Ihr besonderer Reiz liegt in den weitflächigen und artenreichen Magerweiden, die durch kleine Bachläufe, Feuchtwiesen und Wälder gegliedert werden. Wie in früherer Zeit wird das gesamte Gebiet auch heute noch extensiv beweidet. Dadurch konnte sich eine außergewöhnlich reichhaltige Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. Die Weißachau ist seit 1953 Landschaftsschutzgebiet.Die Weißach entspringt am Achenpaß im Grenzgebiet zu Österreich. Auf ihrem Weg in das Alpenvorland hat sich der Oberlauf tief in das bis über 1800 m ansteigende Mangfallgebirge eingegraben. Die Gebirgszüge werden hier von ca. 200 Mio. Jahre alten Gesteinen des Hauptdolomit geprägt. Bei Kreuth ändert die Weißach plötzlich ihren Verlauf und durchbricht in nördlicher Richtung ein west-ost verlaufendes Band aus Plattenkalk, Kössener Schichten und Fleckenmergeln. Diese jüngeren Gesteine bauen im wesentlichen den Wallberg und den Hirschberg auf.Das heutige Bild des Weißachtales entstand jedoch erst während der Eiszeiten, als der Talraum durch den 300-500 m mächtigen Weißach-Gletscher ausgeschürft und schließlich wieder zum Teil mit Schottermassen aufgefüllt wurde. So weitet sich heute das Weißachtal bei Kreuth allmählich auf 1,5 km und öffnet sich schließlich nördlich des Ringbergs in das Tegernseer Tal. Auf den Schotterflächen suchte sich die Weißach in einer weit verzweigten Umlagerungsstrecke ihren Weg zum Tegernsee. Diese Wildflußlandschaft umfaßt das Gebiet der heutigen "Weißachau".Der Beginn des 19. Jahrhunderts brachte mit der Säkularisation (1803), dem massiven Ausbau der Weißach zum Triftkanal und dem nun rasch anwachsenden Tourismus eine entscheidende Wende, die das Landschaftsbild des Talraums bis auf den heutigen Tag prägt.Durch die Auflösung der Benediktinerabtei im Kloster Tegernsee wurden die Bauern von ihrer Hörigkeit befreit. Sie erstritten sich die Besitzrechte an den von ihnen bewirtschafteten Flächen in der Weißachau und schlossen sich 1810 zur "Weißachaugemeinschaft" zusammen. Diese nutzt das ehemalige Überschwemmungsgebiet der Weißach bis auf den heutigen Tag in Form einer extensiven Beweidung.Etwa zur selben Zeit gelangten die Wälder des Kreuther Tales in den Einflußbereich der neu eröffneten Saline in Rosenheim. Der extreme Holzverbrauch der Saline und die Notwendigkeit, das Holz auf den Flüssen zu transportieren ("Holztrift"), führte innerhalb weniger Jahrzehnte zum kanalartigen Ausbau der bis dahin noch weitgehend unberührten Weißach. Auch die seitlichen Zuflüsse wurden von dieser Entwicklung erfaßt und in ein ausgeklügeltes System von "Trift-Klausen" (Wasserrückhaltebecken) umgewandelt, mit deren Hilfe künstliche Hochwasser für die Holztrifft hervorgerufen werden konnten.Auch nach der Umstellung der Saline auf Torf- und Kohlebetrieb (1867) wurde die Holztrift bis ins vergangene Jahrhundert hinein fortgeführt, da sich inzwischen ein reger Holzhandel mit der Landeshauptstadt München entwickelt hatte. Zwar wurden schon bald negative Folgeerscheinungen sichtbar, wie die Eintiefung des Flußbetts, die Absenkung des Grundwasserspiegels und das Auftreten ungewöhnlich heftiger Hochwasserereignisse, jedoch war die Besiedlung bereits so weit in die Talaue vorgedrungen, daß man sich um 1900 gezwungen sah, weitere Verbauungen an der Weißach vorzunehmen.Im Jahr 1980 wurde vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim eine Rückbauphase eingeleitet. Ziele dieser inzwischen abgeschlossenen Maßnahme waren die Sicherung der Fließstrecke durch naturnahe Bauweisen und eine möglichst weitgehende Renaturierung des Flusses.Ohne die extensive Beweidung hätten sich die Auenstandorte der Weißach bis zum heutigen Tag mehr oder weniger dicht bewaldet, da aufgrund der ausbleibenden Überschwemmungen keine frischen, unbewachsenen Pionierflächen mehr entstehen konnten. Diese sind jedoch die natürliche Voraussetzung für die Ansiedlung und Weiterverbreitung zahlreicher Hochlagenpflanzen entlang der alpenbürtigen Wildflüsse, die den heute noch naturnah verbliebenen Tallebensräumen einen besonderen Reiz verleihen.Mit der zunehmenden Beschattung durch aufwachsende Bäume und Sträucher verlieren die zarten, lichtliebenden Pionierpflanzen und Magerrasenarten rasch an Konkurrenzkraft und werden durch Waldarten verdrängt. Diese Entwicklung wurde durch die mit der Flußregulierung einhergehende Grundwasserabsenkung gefördert, da erst jetzt das kräftige Wachstum von Gehölzen möglich wurde.Hier zeigt sich die ausgleichende Wirkung einer extensiv gehaltenen Beweidung des Talraumes. Sie unterdrückt aufkeimende Gehölze, während die dem Boden anliegenden Rosetten und Spaliere der Rasenpflanzen nicht geschädigt werden. Die Naturverträglichkeit dieser Bewirtschaftungsweise wird durch eine reichhaltige Tierwelt bestätigt, die zahlreiche Arten naturbelassener Biotope beinhaltet. Durch das harmonische Zusammenspiel der extensiven Nutzung mit den natürlichen Entwicklungsprozessen nach der Flußregulierung, entstand in der Weißachau ein ungewöhnlich artenreicher, bayernweit bedeutsamer Lebensraum. Es gilt, diesen auch für die kommenden Generationen zu erhalten.An der Weißach konnten sich bis zum heutigen Tag seltene, an das Wasser gebundene Arten behaupten. Das saubere, nährstoffarme Wasser, das in der dünn besiedelten Tallandschaft kaum Verschmutzungen ausgesetzt war und die Erhaltung naturnaher, flußbegleitender Vegetationsstrukturen boten ihnen eine einzigartige Überlebenschance. So "durchpflügt" auch heute noch der Gänsesäger mit untergetauchtem Kopf das Wasser auf der Jagd nach Fischen. Als Höhlenbrüter nistet er - oft in luftiger Höhe - in alten Bäumen in Ufernähe. Auch der farbenprächtige Eisvogel legt seine Nester in Uferabbrüchen entlang der Weißach an. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß diese nur noch in wenigen Paaren vorkommenden Arten bereits einen jahrhundertelangen Existenzkampf führen. Ihr Überleben ist von der Toleranz unserer Generation abhängig. So wurden durch den naturnahen Rückbau der Weißach wieder vielfältige Strukturen und Lebensräume entlang des Flusses bereitgestellt. Die Vorkommen heimischer Fischarten und die Zunahme brütender Wasseramseln beweisen den Erfolg dieser Maßnahmen.

20170502-088-weissachmit-blauberg, © Hörth_Ludwig
20170502-088-weissachmit-blauberg

© Hörth_Ludwig