Heißluftballone in der Luft, Montgolfiade, © Stefan Schiefer

Geschichte

Der Beginn der Luftschiffahrt

So um das Jahr 1900 begann die große Zeit der Luftschifffahrt mit der noblen Berufsbezeichnung „Aviatiker“, getragen von Wogen einer allgemeinen Technikbegeisterung im Deutschen Reich – denn wenn man bei der Aufteilung der Kolonien schon zu kurz gekommen war, wollte man sich wenigstens einen angemessenen Platz im Luftozean sichern. Die Tegernseer Heimatzeitung „Seegeist“ begleitete mit besonderer Aufmerksamkeit eine Diskussion in den Vereinigten Staaten – „Wem gehört die Luft?“ – und meinte im Herbst 1909 (vielleicht in einem Anflug von Satire), Juristen könnten ihre Unentbehrlichkeit erneut demonstrieren, indem sie die „Rechts- und Zuständigkeitsverhältnisse im großen Meer der Lüfte endgültig klären“. In Amerika sei es so, dass der Grundeigentümer auch der Besitzer der Luft über seinem Grundstück sei. „Er ist also in der Lage, jedermann, der über sein Grundstück ohne Erlaubnis fliegt, wegen unbefugten Betretens zu verklagen“. Dass staatsterritoriale Überflugrechte einmal Bestandteile des Völkerrechtes werden sollten, war vor hundert Jahren wirklich nicht zu ahnen.

In Tegernsee, an der Auffahrt zur Hochfeldstraße, erbaute sich der Direktor der Augsburger Ballonfabrik, Hans Scherle, nach der Jahrhundertwende eine Villa und stellte eine steinerne Doppelbüste der Gebrüder Montgolfier in seinen Garten. Wenn die steinernen Brüder im Juni 1909 über den See geblickt hätten, wären sie Zeugen folgender dramatischer Szenen geworden: Von Westen näherte sich ein bemannter Ballon „Moenus“, gefüllt mit neunhundert Kubikmetern Gas, der durch aufkommende Sturmböen nicht auf dem „Rottacher Feld“ landen konnte, über den Wallberg hinweg gehoben wurde und erst in der Weissen Valepp in den Bäumen hängenblieb. Die Insassen, zwei Frankfurter Bankiers, Eugen Wertheimer und Julius Hahn, die einfach mal die Tegernseer Berge von oben sehen wollten, blieben unverletzt und zeigten sich gegenüber den Hilfsmannschaften überaus generös und gewährten dem „Seegeist“ ein Interview, aus dem hervorging, dass man sich 18 Stunden lang in der Luft befunden habe und das in Höhen um fast 3.000 Meter. Für Zivilisten war dies zweifellos eine aero-sportive Leistung (ohne Thermoanzüge).

Der Tegernseer Theaterdirektor Michael Dengg wollte daraufhin für sein Theaterensemble, das in einem Kölner Theater gastierte, die Heimreise per Luftschiff bei der Zeppelinfabrik Friedrichshafen buchen. Graf Zeppelin jun. antwortete: „Im Besitz Ihres Werten teilen wir Ihnen mit, dass eine Überführung von 26 Personen im Luftschiff von Köln bis Tegernsee vor 1910 nicht möglich ist. Die Fahrtkosten würden sich auf insgesamt etwa 13.000 Mark belaufen.“ Zum Vergleich, ein Handwerker hatte damals einen Tagesverdienst von 4 Mark, eine Kuh kostete 40 Mark. Der „Seegeist“ berichtete akribisch über jeden Flug der Starrluftschiffe und verriet den Lesern sogar, nach welchen Naturgesetzen sich ein Zeppelin im Schwebeflug vor dem deutschen Kaiser auf dem Berliner Tempelhoffeld verneigen konnte: Die Passagiere begeben sich geschlossen in den vorderen Teil der Gondelkabine, das Luftschiff senkt sich folglich und ehrerbietig mit dem Bug bodenwärts. Dann versammeln sich die Fluggäste im rückwärtigen Teil der Kabine, der Zeppelin richtet sich wieder auf, der Bug weist himmelwärts, als müsse er ein „V“ in die Wolken zeichnen, für „Vivat dem Kaiser“ – und entschwebt.

Zeppelin-Besuche am Tegernsee sind nicht überliefert, aber dafür findet sich in der Bildersammlung von Hans Halmbacher sen. eine liebevoll montierte Darstellung.