Ranger Andreas Köpferl
Naturschutz - Ranger und Berufsjäger
In den Fußstapfen des Großvaters
In den USA, Kanada, Australien und Afrika sind Ranger in nahezu jedem Nationalpark anzutreffen – im Landkreis Miesbach seit 2021. Als Experten für Fauna und Flora und deren Behüter sind sie vor allem „Vermittler zwischen Natur und Mensch“. Andreas „Anderl“ Köpferl ist in die Fußstapfen seiner Vorfahren getreten. Sein Vater und Großvater kannten die Berge wie ihre Westentasche, als sie als herzogliche Revierjäger für das Gleichgewicht in der Natur sorgten. Heute ist Andreas Köpferl die Sensibilisierung der Menschen für den Naturschutz besonders wichtig: „Die meisten Konflikte basieren auf Unkenntnis“, weiß er aus Erfahrung, „denn man schützt nur das, was man kennt“.
Steckbrief:
Name: Andreas Köpferl
Geburtstag: 15.10.1977
Geburtsort: Tegernsee
Wohnort: Gmund am Tegernsee
Worum geht’s? Naturschutz und Heimat
Dein Großvater, der herzogliche Revierjäger Carl Vögele, war so berühmt, dass er gleich von mehreren Malern porträtiert wurde …
Es war die Zeit, als der Kiem Pauli am Tegernsee als Volksliedsammler gewirkt hat. Die Musik war ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, besonders das Volksliedgut. Mein Großvater kam von Kiefersfelden und hat 1930 in Egern mit dem Gesangstrio „Treichl-Burda-Vögele“ das Große Preissingen gewonnen. Dem Herzog war nicht entgangen, dass hier ein paar kernige Burschen unterwegs sind, welche auch an den heimischen Wildbeständen großes Interesse hatten. Was lag da näher, als meinem Großvater eine Stelle als Berufsjäger anzubieten? Somit hatte der Herzog zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: einerseits einen hervorragenderen Sänger gewonnen und andererseits einen „Wilderer“ weniger. So wurde es überliefert.
Du bist dann beruflich in die Fußstapfen deiner Vorfahren getreten?
Nachdem der Großvater herzoglicher Revierjäger bei Herzog Ludwig-Wilhelm und Herzog Max in Bayern war, wurde mein Vater herzoglich-luxemburgischer Revierjäger in der Vorderriss. Sie waren eng mit der Natur verbunden, kannten jeden Winkel und jeden Stein am Berg. Eigentlich war mir immer klar, dass ich das auch werden möchte. Ich habe allerdings zuerst eine Lehre und den Meistertitel im Zimmererhandwerk gemacht und einen Abschluss als Hochbautechniker. Danach bin ich meinem eigentlichen Herzenswunsch gefolgt und habe eine Ausbildung zum Berufsjäger und Revierjagdmeister bei den bayerischen Staatsforsten abgeschlossen.
Welches Naturerlebnis hast du besonders in Erinnerung?
Das Größte war für mich, als kleiner Bub mit dem Papa in der Weißach zu fischen. Da haben wir schöne Bachforellen gefangen: Naturforellen, die nicht aus einer Zucht stammen. Und sie zusammen zubereitet – fein in Mehl gewendet und krossgebraten. Später, während der zweijährigen Ausbildung zum Jäger in Fall, habe ich auf einer sehr einfachen Berghütte gelebt. Da bin ich manchmal zwei Wochen lang keinem Menschen begegnet. Das war eine unvergessliche Zeit, unmittelbar in der Natur zu leben. Die Natur nutzen und schützen, das ist seitdem mein Credo. Man darf etwas aus der Natur entnehmen, aber man muss auch etwas dafür tun. Jedoch immer mit Respekt und Anstand.
Vom Revierjagdmeister zum hauptamtlichen Naturschutz-Ranger – warum hast du dich dafür entschieden?
Das Arbeitsfeld des Berufsjägers, wofür ich meinen Zimmerermeister und Bautechniker aufgegeben hatte, veränderte sich während meiner zwanzigjährigen Revierarbeit grundlegend. Was eigentlich 80 Prozent der Aufgabenfelder eines Berufsjägers ausmachen sollte, die Natur und das Gleichgewicht von Fauna und Flora zu erhalten, kam mir deutlich zu kurz. Ich wollte mich wieder verstärkt dem Erhalt der einzigartigen Schönheit der heimischen Natur widmen. Für mich war es daher ein Glücksfall, als das Landratsamt die Stelle als Naturschutz-Ranger ausgeschrieben hat. Meine Vorfahren haben bereits für das Gleichgewicht in der Natur gearbeitet, und jetzt geht es mir darum, das zu bewahren, was unsere Heimat ausmacht.
Und was macht unsere Heimat aus?
Gegenfrage: Warum ist es bei uns so schön? Weil wir noch immer die Seen und Berge und all die Artenvielfalt in der Pflanzenwelt und im Tierreich haben. Wenn wir das noch länger erhalten wollen, sind wir alle miteinander gefordert. Naturschutz und Tierschutz gehören unabdingbar zusammen. Die Sensibilisierung der Menschen in den Bergen und im Tal ist wichtig, um diese schöne Heimat für die Nachkommen zu bewahren. Darum müssen wir auch die Gäste in den Bergen sensibilisieren und aufklären, beispielsweise über die Bedürfnisse von den dort lebenden Wildarten wie unsere bedrohten Raufußhühner, in der Balz und zur Aufzuchtzeit. Und auch über unsere Schalenwildarten wie Rehwild, Rotwild und Gamswild.
Worin bestehen im Wesentlichen die Aufgaben eines Naturschutz-Rangers?
Jede Nutzergruppe der Natur beansprucht den Lebensraum für sich und meint: Ich bin der Wichtigste. Unsere Aufgabe ist, diese Nutzergruppen zu sensibilisieren. Das sind zum einen die Freizeitsuchenden, egal ob Mountainbiker, Skifahrer, Gleitschirmflieger, Wanderer oder Trailrunner. Die anderen Naturnutzer sind Almbauern und Forstwirtschaft. Vor allem geben wir der Nutzergruppe eine Stimme, die uns am meisten am Herzen liegt und keine eigene Stimme hat: der Tierwelt. Werden beispielsweise Auerhahn oder Birkhahn im Winter in der nahrungsknappen Zeit mehrfach gestört, verbrauchen sie mehr Energie als sie zu sich nehmen, und das ist ihr sicherer Tod. Werden Hirsch oder Gams im Winter in ihrer Ruhe gestört, flüchten sie von ihren Wintereinstandsgebieten in andere Gebiete und fressen dort die neuen Triebe. Das wiederum führt zu Konflikten zwischen Jägern und Förstern.
Wie erreicht ihr die unterschiedlichen Nutzergruppen?
Das können mein Kollege Alexander Römer, ein staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, und ich sehr gut, weil wir alle Freizeitsportarten wie Bergsteigen, Mountainbiken, Skitouren, Gleitschirmfliegen und Klettern selbst betreiben und innerhalb dieser Community auf Augenhöhe miteinander kommunizieren.
Als Ranger beim Landratsamt bist du mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet und darfst, wenn nötig, Personalien aufnehmen und Verstöße ahnden. Was beispielsweise?
Von Dezember bis Frühjahr gibt es in den Wildschutzgebieten am Spitzingsee strenges Betretungsverbot für die Winterlebensräume und Balzbereiche der Raufußhühner. Es dürfen sich nicht immer die gleichen Tiere untereinander verpaaren, sonst würde die Population genetisch verarmen. Darum hat man „Trittbausteine“ geschaffen: Zonen, in denen das Betreten verboten ist, damit die Populationen untereinander verbunden bleiben. Die Wald-Wild-Schongebiete des Alpenvereins basieren grundsätzlich auf Freiwilligkeit. Nachdem das in einigen Gebieten leider nicht funktioniert hatte, hat das Landratsamt eine behördliche Sperrung in Form eines Wildschutzgebietes vorgenommen. Auch der Kiem-Pauli-Weg von Wildbad Kreuth nach Siebenhütten ist ein zeitlich befristetes Wildschutzgebiet zur stressfreien Nahrungsaufnahme des Rotwildes an der Futterstelle. Außerdem sind Wildcampen und offenes Feuer strengstens verboten.
Eure Arbeit folgt einem jahreszeitlichen Ablauf?
Nach den Wildschutzgebieten geht es zum Ausgang des Winters mit dem Steinadlermonitoring los. Wir haben verschiedene Adlerpaare und beobachten, wo das Balzgeschehen stattfindet. Ist mit einem Brutbeginn zu rechnen, unterrichten wir die unterschiedlichen Nutzergruppen, um das Gebiet rund um den besetzen Horst zu beruhigen. Die vom Aussterben bedrohten Raufußhühner benötigen jetzt unsere volle Aufmerksamkeit. Diese sensiblen Vögel vertragen keinerlei Störungen, warum wir im Frühjahr auch hier versuchen, alle wichtigen Lebensräume zu betreuen. Hier gilt es, absolute Ruhe zu bewahren.
Was fressen beispielsweise Steinadler und wo sind ihre Lebensräume hier in den Bergen?
Sie ernähren sich von Birkwild, Auerwild, Murmeltieren, auch mal ein Gamskitz, Füchse, sogar Rehe. Der ausgewachsene Adler hat immerhin eine Flügel-Spannweite von 2,20 Meter. Hier am Wallberg lebt ein Adlerpaar mit mehreren Horsten. Insgesamt betreuen wir im Mangfallgebirge sechs Revierpaare.
Welche Aufgaben fallen im Sommer an?
Unsere Kernaufgabe im Sommer ist die Besucherlenkung. Hierunter fällt allen voran die Sensibilisierung der Gäste, die in den Bergen unterwegs sind. Nach dem Motto „Man schützt nur das, was man kennt“, informieren wir darüber, welche Pflanzen und Tiere schützenswert sind, um deren Bedürfnisse besser zu verstehen und somit ihren Lebensraum zu schützen.
In den Pfingstferien gibt es die Familienveranstaltung „Natürlich! Kreuth“, die ihr als Ranger mitgestaltet. Was ist während dieser Zeit zu beachten?
Genau dann ist die Balzzeit vom Auer- und Birkwild noch im Gange. Sonnenaufgangstouren sind dann absolutes Tabu. Die Hennen auf dem Balzplatz sind nur wenige Tage empfangsbereit. Das bedeutet, sie müssen in diesem kurzen Zeitfenster „getreten“ werden, damit ein Nachwuchs zustande kommt. Werden sie aber genau dann beispielsweise durch Sonnenaufgangstouren gestört, gibt es in diesem Jahr keine Nachkommen – eine Tragödie. Deshalb bitten wir in dieser Zeit um Verständnis für den Verzicht auf Sonnenaufgangstouren. Zum „Aktionstag am Wallberg“ am Pfingstsonntag informieren wir mit Infoständen. Wir haben Wildtierpräparate dabei, erklären die heimische Fauna und Flora und bieten auch geführte Wanderungen zum Gamsbeobachtungspunkt Grubereck an.
Welche nützlichen Tipps gebt ihr den Freizeitsuchenden für ihre eigene Sicherheit, die der Wildtiere und für ein entspanntes Naturerlebnis mit?
Jeder soll sich im Vorfeld der Tour bereits informieren, ob es irgendwelche Schutzgebiete gibt und was sie bedeuten. Dabei kommt es auf die richtigen Informationsquellen an. Viele nutzen Komoot – diese App stellt aber nur unzureichend die Schutzgebiete dar. Gefährlicher wird’s sogar, wenn die Leute im Winter mit dieser App unterwegs sind. Jeder, der irgendeinen Pfad geht, speist ihn als Geheimtipp ein. Andere gehen diesen bei ungeeigneten Wetter- und Geländebedingungen nach. Wir empfehlen daher „Outdooractive“ oder „Alpenvereinaktiv“. Da sind auch die Schutz- und Schongebiete als Layer, also als Schichten, drin. Für alle solcher Apps und deren Weiterentwicklung aber wünschen wir uns, dass die Schutzgebietslayer automatisch erscheinen und nicht erst vom Nutzer aktiviert werden müssen.
Wie begeistert ihr die Kinder für die Naturschutzthemen?
Ein- bis zweimal im Jahr gehen wir unter dem Motto „Unterwegs mit dem Ranger“ mit Kindergärten oder Grundschulen in den Wald. Dort verteilen wir die Präparate von Gams, Bieber, Adler, Waschbär & Co. Wenn die Kinder die Tiere so in echt und Lebensgröße finden, machen sie große Augen. Dann erklären wir Wissenswertes zu ihrer Lebensweise. Die Tierstimmen begeistern sie besonders. Wie macht zum Beispiel der Birkhahn, wenn er verliebt ist? Oder wir ahmen die Stimmen von Hirsch und Gamsbock in der Paarungszeit nach.
Ein schönes Projekt ist das Auswildern von Greifvögeln. Auch hier bezieht ihr die Kinder ein …
Bei einer Wildtierschutz-Malkampagne durften die Gewinner beim Auswildern eines Greifvogels dabei sein. Als Mini-Ranger haben sie gesund gepflegte Tiere in die Freiheit entlassen, da waren die Kinder Feuer und Flamme. Wir arbeiten dabei eng mit Falkner Alfred Aigner von der Greifvogelauffangstation Otterfing zusammen. Verletzte und verunfallte Tiere werden dort durch ehrenamtliche Helfer gepflegt, aufgepäppelt und teilweise von uns ausgewildert, sobald sie wieder gesundgepflegt sind.
Was tun, wenn man einen verletzten Greifvogel findet?
Wer einen verletzten Greifvogel findet, kann ihn einfangen und zur Greifvogelauffangstation Otterfing bringen. Am besten in einem Pappkarton setzen, weil sich das Tier in der Dunkelheit beruhigt. Vor Ort gibt es rund um die Uhr eine Vogelklappe.
Dein Großvater Carl Vögele, der herzogliche Revierjäger, hat die Jagd in Form von jagdlichen Gürtelschnallen festgehalten. Du führst sein Erbe fort?
Seine Begabung blieb seinem Jagdherren Herzog Max in Bayern nicht verborgen. Auf Anweisung seiner Königlichen Hoheit fertigte er die ersten Koppeln für das Königshaus und verewigte so die jagdliche Geschichte aus dem Revier Wildbad Kreuth für die Nachwelt. Ich führe sein Erbe fort und gestalte ebenso auf traditionelle Weise aus Messing und Silber Gürtelschließen, die die klassische Jagd sowie Tradition und Brauchtum unserer Heimat widerspiegeln. Mein Opa modellierte ungefähr 15 bis 20 unterschiedliche Motive. Ich bin jetzt bei über hundert Exemplaren, darunter auch zeitgenössische, individuelle Anfertigungen. Zum Teil kommen jetzt auch, genau wie bei Carl Vögele, Anfragen aus dem Ausland und den Adelshäusern.
Welche Freizeittipps hast du für Gäste im Tegernseer Tal?
Eine Seerundfahrt mit dem Schiff machen und sich die Berge nur von unten anschauen (lacht). Nein, Spaß beiseite, aber ich würde mir wünschen, dass die Leute unsere Bergwelt nicht als Sportgerät und Freizeitkulisse sehen, sondern als ganzheitliches sensibles Wesen. Dazu gehört auch, die Stille im Wald zu genießen und mit der Natur in Verbindung zu kommen, statt laut redend, telefonierend oder sogar mit Musikbeschallung zu wandern.
Verrätst du deinen Lieblingsplatz im Tegernseer Tal?
Überall in den Bergen, wo man ungestört ins Tal hinabschauen kann und die Heimat spürt. Das Heimatgefühl und meine Wurzeln zu meinen Vorfahren sind mir sehr wichtig.
Dein Motto?
Miteinander statt gegeneinander.
Tue recht und scheue niemand. Oder wie es im Lied von STS „Großvater“ heißt: „Z'erst überleg'n, a Meinung hob'n, dahinter steh'n. Niemols Gewolt, olles bered'n, ober a ka Ongst vor irgendwem.“
Alle Informationen zur Reihe „Natürlich! Kreuth“ finden Sie hier.
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