Ekaterina Zacharova, © Der Tegernsee (Ines Wagner)

Ekaterina Zacharova

Künstlerin und Beobachterin

Steckbrief:


Name: Ekaterina Zacharova
Geburtstag: 1968
Geburtsort:  Moskau
Wohnort: Gmund
Worum geht’s? Malerei

Ekaterina Zacharova‘s Sujet ist der Mensch. Sie gestaltet mit Licht und Farben Alltagsszenen voller Spannung. Die international anerkannte Künstlerin lebt seit vielen Jahren am Tegernsee, der ihr inspirierende Ruhe vor Ort schenkt und Abstand zu ihren Reisen. In ihren Bilderzyklen erzählt sie mit kühnen Lichtinszenierungen poetische Geschichten. Bemerkenswert ist ihr typischer lebendiger, fliegender Pinselstrich, der eine starke Dynamik in die Bilder bringt. Die Künstlerin komponiert mit Pinsel und Farbe die Geschichten, die sie unterwegs beobachtet hat. Es lohnt, sich mit viel Zeit und Ruhe auf die Bilder einzulassen und zu ergründen, was sie uns sagen.

Ekaterina, was fasziniert dich am Menschen?

Seit über zehn Jahren ist der Mensch mein Hauptthema. Je älter man wird, umso mehr hat man schon gesehen und kann auch die anderen Menschen besser wahrnehmen mit ihren Gefühlen, ihrer Angst, Anspannung, Freude und Hoffnung – der ganzen Palette. Und darüber dann Geschichten erzählen, in meinem Fall mit der Malerei.

Interessieren dich auch die Geheimnisse deiner Protagonisten?

Möglicherweise ist die Malerei ein Mittel, solche Geheimnisse auf subtile Weise wahrzunehmen, aber es ist wichtig, diese nicht zu verraten. Es geht um das, was zwischen den Zeilen ist. Wir wissen viel mehr, als wir meinen zu wissen. Das kann man mit der Malerei erfassen und darstellen – es ist das Subtile.

Was ergibt sich aus der Verbindung „Mensch und urbaner Raum“?

Die Großstädte machen etwas ganz anders mit den Menschen als der ländliche Raum. Möglicherweise ist es der Stress, dem sie oft ausgesetzt sind, die Hektik, Betriebsamkeit und Geschwindigkeit… Und dann gibt es diese einsamen Momente, in denen ein Mensch ganz bei sich ist – wie auf einer einsamen Insel inmitten des Chaos. Auf der anderen Seite gibt es auch Interaktion innerhalb von Gruppen und Situationen, die wir alle kennen: Obwohl wir von allen Seiten beschallt werden oder an uns herumgezerrt wird, finden wir diesen einen Moment der Stille. Das zu beobachten, finde ich spannend.

Der unbeobachtete Mensch, was gibt er von sich preis?

In dem Moment, in dem ein Mensch ganz bei sich ist, versucht er nicht, die Rolle zu spielen, die die Gesellschaft ihm zugedacht hat. Sobald man jedoch weiß, dass man porträtiert oder fotografiert wird, passiert etwas: das ist dann aber nicht das Echte, das Wahre. Der unbeobachtete Moment ist das Interessante.

Wo ordnest du dich in der Gegenwartskunst ein?

Technisch gesehen bewegt sich meine Malerei vermutlich irgendwo zwischen Realismus, Expressionismus und Impressionismus. Aber ich halte nichts von diesen Einordnungen. Jeder, der malt, malt eigentlich sich selbst. Alles, was man erlebt, fließt hinein: die Umgebung, Familie, Freunde, alles, was man täglich erlebt. Natürlich kann man in der Malerei auch versuchen, jemand anderes zu sein, aber das ist nicht echt. Das würde mich absolut langweilen. Ich male, weil ich nicht anders kann.

In Havanna, New York, Paris, Venedig, Shanghai, London… sind deine Zyklen entstanden. Welcher Ort hat dich am meisten fasziniert?

Die Städte unterscheiden sich enorm von ihrer Energie. Wer die Bilder anschaut, kann ohne erkennbare Wahrzeichen vermutlich einordnen, ob sie in Paris oder Shanghai entstanden sind oder in New York. Jede dieser Städte hat einen großen Reiz – und trotzdem haben sie unterschiedlich auf mich gewirkt. Nach zehn Tagen Shanghai wusste ich nicht mehr, wer ich bin, so schnell und anders ist das Leben dort. In Havanna habe ich mich sehr wohl gefühlt, in Venedig fühlt sich fast jeder wohl.

Mit dem Zyklus „Alchemical Dance“ erkundest du nun den Mythos „Bühne“?

Die Bühnenwelt war meine erste Berührung mit der Kunst, während ich in Moskau Kostümkunde an der Theaterkunstschule studiert habe. Stell dir vor – als junges Mädchen in den großen Theatern, und an dir laufen die Weltstars vorbei! Theater ist immer auch Überspitzung. Von außen betrachtet ist alles große Kunst und voller Leichtigkeit. Hinter den Kulissen ist die Bühnenwelt oft auch grausam. Die Karrieren sind sehr kurz. Es gibt große Konkurrenz, harte Arbeit und viel Druck. Da spielen sich Höhenflüge ab, aber auch menschliche Tragödien.

Das heißt, es steckt diese Dualität von Erfolg und Misserfolg, von Licht und Schatten in den Bildern?

Bestimmt. So leicht und ungezwungen, wie es auf der Bühne ausschaut, ist es nicht. Ich war im Landestheater Salzburg oft bei den Proben dabei, um die Atmosphäre und die Gefühle einzufangen. Da gibt es viel Freude an den Bewegungen, aber auch enorme Anspannung. Diese Ballettserie ist eine Art Überspitzung, verglichen mit meinen anderen Serien, gewissermaßen „Theater im Theater“. Das Heikle daran ist, eine Kunstform noch einmal in Kunst umzusetzen, sodass es nicht gekünstelt wirkt.

Dein Stil, deine Pinselführung ist sehr dynamisch – alles fließt?

Tatsächlich haben vor ein paar Jahren unterschiedliche Schulklassen in Rosenheim einen Titel für eine meiner Serien gesucht und herausgekommen ist: „Panta Rei – alles fließt.“ So ist es vermutlich: Alles, was ich male, ist das Leben – das fließt, gut oder schlecht.

Auch dein Leben – ein Fluss. Schließlich hat es dich an den Tegernsee gespült?

Ich würde nicht „gespült“ sagen. Das Leben hat mir immer wieder Herausforderungen gestellt, die ich angenommen habe. Oft war es sogar recht schwer. Ich musste viel arbeiten, investieren, die Sprache lernen, mich als Künstlerin etablieren, auch gegen viele Hindernisse. Aber ich habe meist nicht zu viel darüber nachgedacht. Ich habe einfach gemacht.

Was ist typisch Zacharova?

Es können vielleicht andere beurteilen, ich kann es nicht. Das ist zu nah. Das Bild, das man von sich selbst hat, ist vermutlich zerfranst. Auch das ist wieder ein Fließen: man verändert sich.

Vor dir liegt eine frisch aufgezogene Leinwand …

Ich lege nicht einfach los. Jedem Bild gehen unzählige Vorstufen voraus, Entwürfe und Skizzen. Der längere Prozess ist „davor“. Wenn ich an der Leinwand anfange, weiß ich schon genau, was ich will. Trotzdem ist die eigene Vorstellung immer ein Traum – man ist mit sich selbst nie zufrieden.

Heißt, du bist kritisch und unzufrieden mit deinen Bildern?

Vielleicht bin ich ein halbes Jahr später zufrieden. Dann habe ich den Blick von außen angenommen und es scheint mir eher wie ein „fremdes“ Bild. Im Moment der Entstehung oder wenn ein Bild gerade fertig ist, sehe ich noch das, was ich mir vielleicht anders vorgestellt habe.

Kennst du auch kreative Löcher?

Ja, natürlich. Ich bin zwar sehr diszipliniert, aber wenn ich mal zwei Wochen nicht malen konnte, brauche ich länger, um wieder hineinzukommen. Es gibt Momente, wo ich brenne und unbedingt malen muss. Aber insgesamt gleicht der kreative Prozess einer Wellenbewegung. Es sind nicht die schönsten Momente, in denen es stagniert, lieber sind mir die Momente, wo ich aufwache und spüre, dass ich sofort zur Leinwand gehen möchte.

Bist du eine Vielmalerin?

Der Anzahl der Bilder nach bin ich keine Vielmalerin. Aber stimmt, ich arbeite viel. Meistens male ich Serien und die beschäftigen mich mehrere Jahre.

Aus dem sozialimusgrauen Moskau ins barocke Gmund? Kommt dir die Idylle manchmal surreal vor?

Ich bin zuerst in die Rosenheimer Gegend gekommen, das war vor 26 Jahren. Und tatsächlich brauche ich noch ein Atelier in Berlin, um „dazwischen“ zu sein. Aber obwohl ich in der Großstadt aufgewachsen bin, fühle ich mich eher als Landmensch.

Gmunderin und/oder Weltbürgerin?

Ich glaube, ich sehe mich als Oberbayerin. Ich fühle mich in Bayern zuhause.

Ausstellungen in New York und Miami – und am Tegernsee. Wie ist der Austausch mit den Kunstschaffenden Im Tegernseer Tal?

Künstlerin zu sein ist normalerweise ein einsamer Beruf, wir sind alle Einzelkämpfer. Das Bohemien-Leben von früher kennt man nur noch aus der Oper und aus Romanen. Aber das, was ich schätze, ist die herzliche Atmosphäre hier im Tal und das unglaubliche Engagement für die Kunst. Es braucht sehr viel Idealismus, diese aufwändigen Gemeinschaftsausstellungen wie die gmundart oder die Tegernseer Kunstaustellung zu organisieren, davor habe ich großen Respekt. Die Künstler im Tegernseer Tal sind sehr gut miteinander vernetzt.

Was gibst du jungen Künstlerinnen mit auf den Weg?

Ich glaube, dass ich nichts bewusst geben möchte. Muriel Breu und Anastasia Kohler beispielsweise gehen ihren eigenen Weg und ich freue mich sehr, wenn sie mit mir ausstellen wollen. Seit ein paar Monaten kommt eine junge Malschülerin aus der Ukraine zu mir. Valerie ist mit ihrer Familie aus Kramatorsk geflohen und lebt in Bad Wiessee. Neben dem Malen hat sie jemanden zum Reden, kann die Sprache lernen. Das ist auch für mich eine Bereicherung und es macht mich glücklich, dass sie zu mir ins Atelier kommt.

Hast du einen Lieblingsplatz am Tegernsee?

Ich gehe leidenschaftlich gern auf den Berg, beispielsweise auf die Neureuth, aber auch auf die anderen, umliegenden Berge. Von oben auf den See zu schauen, finde ich schön.

Was empfiehlst du Freunden, die dich besuchen, hier zu unternehmen?

Wenn Besuch aus Berlin oder aus dem Ausland kommt, sehe ich jedes Mal wieder mit fremden Augen, wie schön wir es hier haben. Dann habe ich große Freude daran, Fremdenführerin zu spielen. Sehr gern gehe ich mit meinen Gästen zur Mangfallbrücke und weiter nach Kaltenbrunn. Dann liegt schon der See auf dem Präsentierteller.

Das Atelier der Künstlerin befindet sich in Gmund in Bahnhofsnähe. Bitte vereinbaren Sie bei Interesse einen Besuchstermin direkt mit ihr. Alle weiteren Infos auf der Webseite von Ekaterina Zacharova.

Impressionen

Ekaterina Zacharova 02, © Der Tegernsee (Ines Wagner)
Ekaterina Zacharova 02

© Der Tegernsee (Ines Wagner)

Ekaterina Zacharova 03, © Der Tegernsee (Ines Wagner)
Ekaterina Zacharova 03

© Der Tegernsee (Ines Wagner)