Franz Maier 02, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)

Franz Maier

Von der Jagd auf den Teller

Jäger und Gastronom mit Leib und Seele

Am Tegernsee hat die Jagd eine lange Tradition – beginnend im mittelalterlichen Kloster, später mit den Wittelsbachern. Ohne Jagd (und Wilderei) hätte Franz von Kobell seinen „Brandner Kaspar“ nicht am Tegernsee geschrieben und Ludwig Thoma nicht seine „Jagdgeschichten“.

Heute sorgen Jäger für einen artenreichen und gesunden Wildtierbestand und den Erhalt natürlicher Lebensräume. Wir haben mit einem gesprochen, der seine Liebe zur Jagd mit der Leidenschaft für gutes Essen verbindet: Gastronom, Hotelier und Jäger Franz Maier. In seinem Restaurant „Kirschner Stuben“ im familiengeführten Hotel „Maier zum Kirschner“ kommt Wild aus der eigenen Jagd auf den Tisch. Frischer, nachhaltiger und regionaler geht es nicht.

Steckbrief:
Name: Franz-Josef Maier
Geburtstag: 16.02.1969
Geburtsort: Tegernsee
Wohnort: Rottach-Egern
Worum geht’s? Jagd & Kulinarik

Wichtiger Bestandteil der Tracht am Tegernsee ist der Gamsbart. Was hat es damit auf sich?

Der Gamsbart war ursprünglich eine Jagdtrophäe. Nachdem eine Gams erlegt wurde, steckte sich der Jäger die frischen Gamshaare in die Hutkrempe. Später entwickelte sich der Gamsbart zum festen Bestandteil der oberbayrischen Tracht. Heute ist er eine Zierde für den Hut, hat aber im ursprünglichen Sinne nichts mehr mit der Jagd zu tun. Nicht jeder Trachtler, der einen Gamsbart am Hut trägt, ist ein Jäger. Der Gamsbart wird von Generation zu Generation vererbt.

In deiner Familie wurde nicht nur der Gamsbart vererbt, sondern auch die Jagdtradition…

Bereits seit vielen Generationen gehen wir in unseren eigenen Wäldern und Almböden auf die Jagd. Im Zusammenhang mit unserem Restaurant bedeutet das eine vielseitige Bereicherung der Küche, weil wir die erlegten Wildtiere zu hundert Prozent selbst verarbeiten und vermarkten. Die Jagd von Rehen, Gams und Rotwild ist wichtig für das natürliche Gleichgewicht. Indem wir im Restaurant das Wild veredelt auf den Teller bringen, schließen wir den Kreislauf der Natur.

Wild ist somit die Spezialität des Hauses – was kommt auf den Teller?

Wir bieten das ganze Jahr Rotwild an, also Hirsch, begleitet von saisonalen Beilagen. Auch Reh und Gams kommen in den „Kirschner Stuben“ auf den Tisch. Frischeres und reineres Fleisch als Wild direkt aus der Jagd gibt es nicht – ein Naturprodukt von traumhafter Qualität. Das Wild wird nach dem Erlegen sofort aufgebrochen, eingekühlt und darf in der Wildkammer abhängen. Das bringt die Fleischreife und bewahrt zugleich die milden, natürlichen Aromen.

Denkst du bei der Jagd schon ans Kochen?

Die Jagd ist mein Schlupfloch, da verabschiede ich mich von Trubel, Stress und Druck, von Arbeit und Verantwortung. Ich lasse mich fallen und nehme das Draußen rein instinktiv wahr. Erst wenn die vermeintliche Sichtung von Wild aufgrund des Windes und der Witterung am Morgen oder in den Abendstunden nicht mehr möglich ist, holen mich die Gedanken an meine Arbeit in der Küche eventuell wieder ein. Die Jagd und den Anblick des Wildes verbinde ich nicht unmittelbar mit dem Produkt auf dem Teller. Dazu habe ich später noch genug Gelegenheit.

Was fasziniert dich am meisten an der Jagd?

Die unterschiedlichen Wildarten mit ihren jeweiligen Verhaltensweisen, aber auch die hohe Dynamik während der Brunft sind die emotionalsten Momente. Jagd bedeutet hauptsächlich das Erleben von Wild. Nur ein sehr kleiner Bestandteil ist das Erlegen der Tiere. Wenn man die Jagd in vollem Umfang ausführen möchte, gehört eine breite Palette an Tätigkeiten dazu.

„Hege und Pflege“ gehören zur Jagd, was bedeuten sie?

Früher ist das Rotwild im Winter in andere Gebiete gezogen. Durch Straßenbau und Zersiedelung haben wir den Tieren diese Möglichkeit genommen und müssen sie in der Notzeit unterstützen, beispielsweise indem wir zufüttern und Schongebiete ausweisen. Im Sommer mähen wir unbeweidete Flächen in Hanglagen. Das fördert die Biodiversität und die Tiere finden auch außerhalb des Waldes etwas zu fressen. Das Ziel ist ein gesunder Wildbestand. Dazu gehört auch, kranke, alte, schwache oder verletzte Tiere zu entnehmen. Dafür braucht es ein geschultes Auge.

Es gibt Jagd- und Schonzeiten. In welcher Zeit braucht das Wild besonderen Schutz?

Für die unterschiedlichen Wildarten gibt es verschiedene Schonzeiten, die per Gesetz festgelegt sind. Wichtig ist der strenge Schutz des Wildes im Winter. Dann zur Zeit des Setzens, also wenn der Nachwuchs geboren wird, und während und der ersten sensiblen Wochen der Aufzucht. In Wildruhegebieten haben die Tiere ungehinderten Zugang zu ihren Futterplätzen oder zur Wildfütterung. Das Betreten der Natur ist jedermanns Recht, Freizeitsuchende sollen daher nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Vielmehr bitten wir darum, die jahreszeitlich begrenzten Ruhegebiete und Ruhezeiten aus Respekt und Rücksicht auf die Natur zu achten.

Was hat es mit der „Kunst des Pirschens“ auf sich?

Das Gegenteil wäre: Geradewegs drauflos. Das hat dann nichts mit Pirschen zu tun, sondern ist eine Störung. Wenn ich mein Wildgebiet genau kenne und weiß, wo nachts die Tiere äsen oder sich später in ihren Tageseinstand hinbewegen und ich vorsichtig dahin pirsche, ist das eine hohe Kunstform der Jagd. Dazu gehört Augen aufhalten, Ohren spitzen und darauf zu achten, gegen den Wind zu pirschen. Sonst wird kein Wild in Erscheinung treten, denn es nimmt uns bereits viel länger wahr, als wir es vermuten.

Morgens um fünf auf dem Hochsitz – was gibt es da zu sehen und erleben?

Wenn es noch Dunkel ist, hört man den Jungfuchs bellen oder einen Marder durch das Unterholz hüpfen. Man hört jede Maus, weil man hellwach und auf jedes Geräusch sensibilisiert ist. Die Natur erwacht mit dem Gesang der ersten Vögel und dem Hacken der Spechte. Es schnürt mal ein Fuchs oder Dachs vorbei, auch Schalenwild wie Hirsch oder Reh. Man muss aufpassen, dass man nicht zu sehr in den Lebensraum der Nacht eindringt. Wenn die Tiere uns gewittert oder die Schleichgeräusche gehört haben, gibt es jagdlich keinen Erfolg. Im Gegenteil, dann sieht man nichts und vergrämt das Wild unter Umständen dauerhaft.

Braucht man als Jäger eine besondere Nase?

Auch. Aber am wichtigsten sind Gespür und Geschick, wenn man Tiere sehen oder erbeuten möchte. Wir stehen in der Verantwortung, die gesetzlichen Abschussraten zu erfüllen, daher wäre es wenig sinnvoll, das Wild zu vergrämen. Wenn das Wild am Morgen gestört wird, erscheint es die nächsten Tage an dieser Stelle nicht mehr.

Welche Folgen hätte es, wenn die 1,2 Millionen Rehe und 600.000 Wildschweine, die jedes Jahr in Deutschland von Jägern erlegt werden, nicht geschossen würden?

Der Einklang zwischen den Wildtieren und der Natur wäre sehr schnell aus der Balance, da es in unseren Breitengraden keine großen Beutegreifer und damit keine natürlichen Feinde mehr gibt. Die Rehe beispielsweise äsen im Jungwald frische Triebe und richten bei überhöhnten Beständen einen großen Schaden an. Wenn die Wildschweine in frisch eingesäte Äcker einfallen, können sie in einer Nacht einen Schaden von mehreren tausend Euro verursachen. Deutschland ist ein wald- und flurreiches Land. Der Schaden einer Überpopulation darf nicht zu Lasten der Landwirtschaft und Forstwirtschaft gehen.

Du hast im Dokumentarfilm „Auf der Jagd – Wem gehört die Natur?“ mitgewirkt. Was ist die Botschaft?

Der Film beleuchtet sehr stark den Respekt vor der Kreatur, rund um den Globus: die Jagd bei den Eskimos und Cree Indianern, die Jagd im oberbayrischen Bergland und Tirol. Die Hauptbotschaft ist, dass wir mit den Ressourcen respektvoll umgehen sollen. Wir sind die Fremdkörper in der Natur und können uns bloß den Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten unterordnen. Die Natur braucht nicht uns, sondern wir brauchen die Natur.

Wie schmeckt Wild?

Der Wildgeschmack ist nicht mit Rind-, Kalb- oder Schweinefleisch vergleichbar – und erst recht nicht mit Schaf oder Ziege. Vielmehr ist es eine Veredelung des reinen Naturgeschmacks. Das Tier hat in Freiheit gelebt, Sommer wie Winter. Kein Tiertransport, keine Antibiotika, kein Schlachtungsstress. Das ist die reinste Form von Fleisch, die die Verdauung fast gar nicht belastet: cholesterinarm, zart, fettarm, sehr bekömmlich. Mit sommerlichen Komponenten angerichtet gilt Wild sogar als leichte Küche. Diese außergewöhnliche Qualität ist es den Gästen auch wert, sich die Gerichte etwas kosten zu lassen.

Wie kommt das Wild im Jahreslauf auf den Tisch?

Im Sommer ist die Wildbegleitung leicht, beispielsweise Pfifferlinge oder mal ein Zucchinirisotto. Im Herbst und Winter werden die Beilagen deftiger und opulenter mit Kohlsorten wie Rosenkohl, Wirsing und Blaukraut. Für unsere vegetarischen und veganen Gäste haben wir immer Gemüsevariationen auf der Karte. Wenn wir aber explizit das Wild begleiten, ist es immer frisches, regionales, saisonales Gemüse.

Was ist wichtig bei der Zubereitung von Wild?

Das Fleisch ist empfindlich, sehr zart und feinfaserig. Mit der Keule geht man anders um als mit dem Filet oder Rücken. Ganz wichtig sind Temperatur und Garzeit. Egal ob Kurzbratfleisch, Schmorgericht oder Braten, man sollte immer mit Kerntemperaturmessern arbeiten. Das Fleisch hat wenig Eigenfett oder Sehnen, die Saft bringen. Wenn der kurze Garpunkt überschritten ist oder es zu heiß gegart wurde, ist es schade um das edle Stück Fleisch. Man muss mit Wild achtsamer umgehen als mit anderem Fleisch. Immer wieder probieren, die Temperatur der Backröhre lieber rechtzeitig reduzieren oder ganz ausmachen und nachziehen lassen.

Was sind typische Wildgerichte auf eurer Speisekarte?

 „Zweierlei von der Gams“ wird sehr gern gegessen. Gams haben wir seltener als Rotwild, das bei uns ganzjährig auf der Karte steht. Sehr beliebt ist auch ein kleines Ragout mit Semmelknödelchen und einem Medaillon aus dem Rücken mit saisonalen Beilagen, aber auch Wildburger oder Wildbratwürste werden gern gegessen. Beliebt sind auch Hirschgulasch, geschmorte Backerl und unsere Wildpflanzerl. Auf Vorbestellung ab zwei Personen servieren wir auch den Rücken von Reh, Gams und Hirschkalb im Ganzen. Um unsere Wildgerichte zu genießen, nehmen viele Stammgäste sogar den Weg aus der weiteren Umgebung in Kauf.

Außer dem Wild verwendest du weitere regionale Produkte…

Wir kaufen Fleisch von einigen regionalen Selbstvermarktern zu. Die Bachforelle und der Bachsaibling kommen aus der Herzoglichen Fischzucht in Kreuth. Die Naturkäserei liefert Heumilchkäse und Butter von höchster Qualität. Kartoffeln und Eier sind aus dem Landkreis. Ein Teil der Eier stammt sogar aus der Zucht unseres 16-jährigen Junior, er züchtet teils seltene Sorten.

Wie würdest du in wenigen Sätzen die Küche der „Kirschner Stuben“ beschreiben?

Geerdet und bodenständig mit Einflüssen aus dem Mittelmeerraum, auch mal eine Nuance asiatisch. Die Küche ist wie unser Publikum: Von jungen Pärchen und Familien über solide Mittelständler, die gepflegt essen, wandern und golfen, bis hin zu Senioren, die den Tegernsee genießen. Die Tür steht für alle offen und so ist auch unsere Küche.

Das Hotel ist bereits über fünf Genrerationen in Familienbesitz. Du hattest dann die Idee mit dem Restaurant…

Das habe ich in Ergänzung und in Abstimmung mit meinen Eltern 1998 angebaut. Da war ich knapp dreißig, voller Power und sprudelte vor Ideen. Wir haben heute in der Hauptstube 55 Plätze, für eine Gesellschaft können wir für 85 aufstuhlen, mit den anderen Stuben haben wir insgesamt 110 Plätze. Das Hotel hat 95 Betten. Momentan sieht es danach aus, dass unsere beiden Kinder beruflich in Richtung Hotellerie und Gastronomie tendieren, das wäre natürlich großartig. Es gibt genügend Bereiche im Betrieb, wo sowohl unsere Tochter als auch unser Sohn beruflich ihren Schwerpunkt setzen könnten.

Welches ist dein persönlicher Lieblingsplatz am Tegernsee?

Wenn ich nicht hier bin, dann wissen eigentlich alle, wo sie mich finden können: Im Wald. Wir haben eigene Waldflächen, da gibt es immer etwas zu tun. Sturmholz, Schneebruch oder käferbefallenes Holz muss man schnell herausholen. Aber auch Flächen wieder aufzuforsten ist für mich mit Freude verbunden. Meist ist Ludwig, mein Labrador, mit dabei.

Was empfiehlst du deinen Gästen, am Tegernsee zu unternehmen?

Bei Schönwetter Wandern, Spaziergänge, von leichten Bergtouren bis ins Hochalpine oder Mountainbiken, jungen Leuten auch mal einen Gleitschirmkurs. In einer Schlechtwetterperiode nutzen die Gäste auch gern die Nähe zu München, Salzburg, Innsbruck oder machen einen Tagesausflug nach Bozen. Man ist schnell über die Alpen und in einem ganz anderen Klima.

Dein Motto?

Sich keiner Ideologie anschließen, die Dinge mit Augenmaß, Gespür und Respekt betrachten und wenn möglich danach handeln.

Zum Restaurant „Kirschner Stuben“ geht’s hier.

Impressionen

Franz Maier 04, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)
Franz Maier 04

© Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)

Franz Maier 03, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)
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© Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)

Franz Maier 05, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)
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© Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)

Franz Maier 06, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)
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Franz Maier 07, © Der Tegernsee (
Franz Maier 07

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