Mike Römhild
Kundenbetreuer bei der Bayerischen Regiobahn
Bereits 1883 konnte man mit der Eisenbahn von München nach Gmund und seit 1902 bis Tegernsee reisen. Vor 26 Jahren wurde die Bayerische Oberlandbahn (BOB) GmbH gegründet und erhielt als erstes privates Eisenbahnunternehmen einen Verkehrsauftrag vom Freistaat Bayern. Aus der BOB wurde 2020 die BRB – die Bayerische Regiobahn. Jährlich nutzen fünf Millionen Fahrgäste die BRB im Oberland. Wer mit der Bahn an den Tegernsee kommt, reist nachhaltig und hält seinen ökologischen Fußabdruck klein. Vor allem aber genießt er eine der landschaftlich schönsten Bahnstrecken Bayerns. Wir sprechen mit dem Zugbegleiter Mike Römhild über seinen mobilen Arbeitsplatz mit See- und Bergblick.
Steckbrief:
Name: Mike Römhild
Geburtstag: 26.02.1971
Geburtsort: Bad Salzungen
Wohnort: Fischbachau
Worum geht’s? Öffentlicher Nahverkehr, mit dem Zug an den Tegernsee
Superpower: Kommunikation
Früher pfiff der „Schaffner“ die Abfahrt an und hob die Kelle als Signal zur Abfahrt. Wie ist die korrekte Bezeichnung heute?
Wir sind „Kundenbetreuer auf dem Zug“ oder auch „Zugbegleiter“. Wir begleiten die Züge von A nach B und betreuen dabei die Kunden. Auch die Kelle benutzen wir immer noch zum Abfertigen des Zuges. Sie ist ein wichtiger Bestandteil, um dem Lokführer zu signalisieren: Der Fahrgastwechsel ist abgeschlossen, der Bahnsteig ist frei, die Türen können schließen und wir können abfahren. Auch gepfiffen wird noch – allerdings situationsbedingt, meist am Bahnhof in München. Dort ist der Zug etwa 200 Meter lang und besteht aus drei bis vier Zugteilen. Wenn der Zug abfahrtsbereit ist und ganz hinten kommen noch ein paar Leute, muss ich schon mal zur Pfeife greifen. Das bedeutet: Letzte Möglichkeit zum Einsteigen!
Seit wann bist du bei der BRB und wie wurdest du Kundenbetreuer im Zug?
Ich arbeite seit insgesamt 23 Jahren im Kundendienst, bei der BRB als Quereinsteiger seit 2019. Zuvor bin ich als Fahrgast sehr oft und gern mit der BRB zum Tegernsee gefahren, daher konnte ich mir das sehr gut vorstellen: Du fährst jeden Tag an drei der schönsten Gegenden Deutschlands vorbei, mit touristischen Attraktionen, die du selbst auch nach und nach kennenlernst! Daher kann ich den Fahrgästen auch immer schöne Ausflugstipps geben. Damit rechnen die wenigsten und sind dann oftmals sehr dankbar.
Vervollständige den Satz: „Ein perfekter Tag als Zugbegleiter ist für mich…“
So ein Tag wie heute, würde ich sagen! Blauer Himmel, Sonnenschein und natürlich glückliche Fahrgäste, die ich sicher und pünktlich ans Ziel bringen kann.
Warum sollten die Leute ihr Auto zu Hause stehen lassen und mit der BRB zum Tegernsee fahren?
Was gibt es Schöneres? Ich steige in München in den Zug und eine Stunde später völlig entspannt wieder aus – und bin direkt da, in diesem Urlaubsparadies aus See und Bergen! Dazwischen wurde ich schon eingestimmt: Ab Holzkirchen habe ich den ersten Blick auf die imposanten Berge, kurz vor Gmund taucht der See auf. Mit dem Auto braucht man länger, muss sich auf den Verkehr konzentrieren und kann die Landschaft nicht genießen. Man steht im Stau und hat Probleme bei der Parkplatzsuche, vor allem an den Wochenenden. Zugreisende können auch das gastronomische Angebot besser genießen und das legendäre Tegernseer Bier oder einen Sundowner am Seeufer. Und dann ganz entspannt zurückfahren, ohne Stau und Verzicht.
Urlaubsgäste mit einer TegernseeCard profitieren von der Bahnfahrt. Inwiefern?
Mit der TegernseeCard können die Gäste der Urlaubsregion DER TEGERNSEE neben der kostenlosen Nutzung der Busse im Landkreis auch mit der Bahn zwischen Tegernsee und Moosrain kostenlos fahren und so auf bequeme Weise touristische Ziele erreichen. Wenn man weiterfährt, ist zumindest diese Teilstrecke kostenlos. Das ist ein echter Mehrwert und schöner Anreiz, im Urlaub das Auto stehen zu lassen.
Was ist besonders an dieser Bahn, die das Oberland mit München verbindet?
Man muss das so sehen: Dieser Zug startet in München und fährt ohne Umstieg drei unterschiedliche Fahrziele an: Tegernsee, Bayrischzell und Lenggries. In Holzkirchen und Schaftlach werden die unterschiedlichen Zugteile abgekoppelt und fahren dann jeweils ihren drei Bilderbuchzielen entgegen. Retour bringen wir alle Menschen aus den unterschiedlichen Himmelsrichtungen in Holzkirchen wieder zusammen. Ab da geht es gemeinsam zurück in die Landeshauptstadt. Das Kuppeln selbst ist auch eine Attraktion. Oft steigen die Leute aus und filmen das mit ihren Handys.
Man muss im richtigen Zugteil zu sitzen, bevor der Zug geteilt wird. Was muss man dabei beachten?
Grundsätzlich ist es wichtig, die Zugzielanzeige zu lesen. Das Fahrtziel steht Außen am Zug, aber auch innen im Abteil. Es ist nicht schlimm, wenn man zunächst nicht im richtigen Zugteil sitzt. Bis Holzkirchen bleibt der Zug zusammen. Wir informieren die Fahrgäste rechtzeitig über die nächste Umstiegsstelle – in Deutsch und Englisch. Es gehört selbstverständlich dazu, dass man als Zugbegleiter auch mit den internationalen Fahrgästen kommunizieren kann, denn wir haben Tagesausflügler aus der ganzen Welt an Bord.
Warum lohnt es sich, auf dieser Strecke das Handy in der Tasche zu lassen und stattdessen aus dem Fenster zu schauen?
Spätestens ab Holzkirchen sollten die Fahrgäste aus dem Fenster schauen, da tauchen die ersten Berge auf. Je weiter wir ins Oberland fahren, umso schöner wird die Landschaft. Das ist im Sommer wunderschön und im Winter noch schöner: blauer Himmel, draußen schneeweiß. Da fährt man den Gmunder Berg hinab und wenn der See auftaucht, glitzert der Schnee am Ufer. Fährt man Richtung Bayrischzell, glitzern rechts und links die verschneiten Wiesen, auf denen die Langlaufloipen gespurt sind. Dann ist nicht zu übersehen: Man fährt in ein Urlaubsparadies hinein!
Wenn ich die Aussicht auf der Fahrt Richtung Tegernsee genießen möchte, wo sollte ich sitzen?
Unbedingt auf der rechten Seite, da geht’s dann auf dem letzten Stück entlang des Sees.
Nutzt sich diese Aussicht ab oder bist du auch noch jedes Mal überwältigt?
Der Tegernsee ist mein Highlight. Wenn der See auftaucht, das ist auch für mich immer wie Urlaub und es stellt sich sofort der Erholungseffekt ein. Das Gefühl geht nicht weg, auch wenn ich schon seit 20 Jahren hier bin. Die Landschaft, die Menschen, die sehr entspannt sind, weil es hier so schön und lebenswert ist – das hat eine besondere Lebensqualität. Und das beginnt jedes Mal mit diesem Wow-Effekt, wenn die Voralpenkette und der See auftauchen.
Wenn ich mit der Bahn am Tegernsee ankomme, was kann ich fußläufig unternehmen?
Das fragen mich die Leute tatsächlich oft. Ich empfehle in Tegernsee gern die Promenade entlang des Sees zum Spazierengehen und eine Rundfahrt mit der Tegernseer Seenschifffahrt zu machen, außerdem die beiden Museen und natürlich das legendäre Bräustüberl. Schön ist es auch, bei der Anreise aus München in Gmund auszusteigen und über den Höhenweg mit seinen herrlichen Aussichten nach Tegernsee zu spazieren. Oder alternativ von Tegernsee nach Gmund zu laufen und von dort die Rückreise anzutreten. Wer gut zu Fuß ist, kann hinauf zum Berggasthof Neureuth wandern, von der Terrasse hat man einen schönen Blick auf den See.
Die BRB hat einen „Märchenexpress“ herausgegeben. Was hat es damit auf sich?
Wir möchten die Fahrgäste dazu anregen, von München aus neue Ziele zu entdecken und Wanderungen und Spaziergänge auf den Spuren von Geschichten, Märchen und Sagen zu unternehmen. Die „magischen Ziele“ sind nicht nur für Familien mit Kindern interessant. Am Tegernseer Bahnhof startet beispielsweise die Tegernseer LiteraTour Nr. 3 – der Sagenspaziergang mit sieben Sagen und Legenden, die sich um den Tegernsee ranken. Den Märchenexpress findet man auf unserer Internetseite brb-express.de. Fahrgäste machen wir auch über die Monitore in den Abteilen darauf aufmerksam.
Was für eine Überraschung hält der Tegernseer Bahnhof für Eisenbahn- und Technikfreaks bereit?
Das historische Seilzugstellwerk der Tegernsee Bahn auf Gleis 1! Unter dem Beifall der örtlichen Bevölkerung und vieler Schaulustiger fuhr 1902 der erste Zug im Bahnhof Tegernsee ein – aus dieser Zeit stammt das Stellwerk. Die Weichen wurden in Tegernsee an den Hebeln gestellt, die Seilzüge reichten bis nach Gmund. Eine andere Attraktion ist der historische Triebwagen TAG 27 aus dem Jahr 1938. Er wurde mit mehr als 3.000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden restauriert und ist heute gelegentlich auf Sonderfahrten im Einsatz.
Angenommen, ich möchte mein Fahrrad mitnehmen. Was ist für mich wichtig, vorab zu wissen?
Zuerst einmal braucht man einen Fahrradfahrschein, die Fahrradmitnahme ist nicht kostenlos. Wenn am Wochenende viele Reisende mit Gepäck, Kinderwagen, Wander- oder Gleitschirmflieger-Rucksäcken und Fahrrädern mitfahren möchten, kann es vorkommen, dass nicht alle hineinpassen. Die Fahrräder sind am sperrigsten, da müssen wir manchmal darum bitten, auf den nächsten Zug zu warten. Die Kapazitäten sind begrenzt. Das heißt, man muss gegebenenfalls auch flexibel sein und einen Zug später nehmen. Ich empfehle immer, möglichst einen recht frühen Zug aus München hinaus in die Berge zu nehmen und dann den Tag komplett ausnutzen und erst möglichst spät wieder die Rückreise anzutreten.
Welche Aufgaben fallen in deinen Zuständigkeitsbereich?
Zuerst einmal die komplette Zugabfertigung auf der Fahrstrecke, die Fahrscheinkontrolle, Serviceberatung, Fahrzielauskünfte und auch touristische Auskünfte. Dabei ist die Herausforderung, schnell und flexibel zu reagieren, denn jeder Fahrgast hat ein anderes Problem. Dann heißt es, stehenbleiben, zuhören, sich die Zeit nehmen, denn jedes Anliegen wird ernst genommen. Dann die grobe Innenreinigung, das Melden und Beheben von Störungen. Auch die Sicherheit ist ein großes Thema. Dazu gehört, dass die Gänge und Türen frei sind, nichts im Weg steht, die Fahrräder gesichert sind, damit sie nicht umfallen und womöglich Mitreisende verletzen, wenn der Zug plötzlich bremsen muss. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Fahrgäste sicher ankommen.
Welche Voraussetzungen und Eigenschaften sollte man also mitbringen, wenn man als Zugbegleiter arbeiten möchte?
Als Zugbegleiter sollte man auf jeden Fall sehr sozialkompetent sein und sehr kommunikativ – das steht ganz weit oben. Und man sollte sehr flexibel im Kopf sein, sich sehr schnell auf unterschiedliche Situationen einstellen können. Wenn der Zug mal stehen bleibt und nicht weiterfährt, muss man zügig reagieren, mit dem Lockführer und der Betriebsleitzentrale kommunizieren: Wie geht´s weiter? Man muss in solchen Situationen auch vorausschauend denken – und dann die richtigen Informationen an die Fahrgäste weitergeben.
Was ist dir als schönstes Erlebnis in deiner Berufslaufbahn in Erinnerung geblieben?
Gäste aus Korea haben im Zug einen Rucksack samt Laptop, Reisepässen und Geldbörsen vergessen. Ich habe ihn gefunden und später dem Sohn übergeben. Er ist mir vor lauter Freude und Dankbarkeit um den Hals gefallen. Ein anderes Mal umarmte mich spontan eine junge Frau am Bahnsteig in Holzkirchen und sagte danke – einfach nur, weil sie glücklich war, dass ich die Durchsagen gemacht hatte. Sie saß im falschen Zugteil und konnte noch rechtzeitig umsteigen. Das sind besonders schöne Momente, in denen ich einfach nur meine Arbeit gemacht habe, aber ich merke dann: Das ist für andere nicht selbstverständlich, es wird wertgeschätzt.
Gibt es auch mal unangenehme, brenzlige Situationen?
Mir ist es auf dieser Strecke zum Glück nur einmal passiert, dass ich körperlich bedroht wurde – da war Alkohol im Spiel. Das sind brenzliche Situationen und wenn so etwas passiert, darf man nicht den Helden spielen. Die eigene Sicherheit ist auch ein Thema. Wir haben zum Glück regelmäßige Schulungen mit Deeskalationstechniken. Später, als wir in München ankamen, hat sich der Mann bei mir entschuldigt.
Hast du eine Lieblingsstrecke in deinem Dienstbereich?
An den Tegernsee! Wenn du hierher nicht gern fährst, weiß ich nicht, wo du hinwillst! (lacht)
Bist du privat auch viel mit dem ÖPNV unterwegs?
Im Großraum München fahre ich fast ausschließlich mit der Bahn, das ist einfach viel entspannter.
Was ist dein Lieblingsplatz am Tegernsee?
Am unteren Ende des Tegernseer Kurparks gibt es auf der Wiese Himmelsliegen. Von dort aus schaut man direkt auf den See und nur ein paar Schritte weiter kann man ein hervorragendes Eis holen. Wenn ich mehr Zeit habe, sitze ich gern am Kleinen Paraplui und genieße die Aussicht auf die Egerner Bucht und den Wallberg. Am Wochenende komme ich gern mit meinen Kindern an den Tegernsee.
Dein Motto:
Leben und leben lassen. Zufrieden sein, mit dem, was man hat – besonders, wenn man in dieser wunderbaren Landschaft leben darf.