Kulturtalk Monika Ulbricht 001, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)

Monika Ulbricht

Keramikmeisterin & Kunsttherapeutin

Monika Ulbricht entstammt einer traditionsreichen Kunsthandwerkerfamilie - sie ist Keramikerin in der vierten Generation.

In ihrer heimelig warmen und gemütlichen Werkstatt kann man sich umsehen und stöbern, während die Töpferscheibe leise surrt - oder auch selbst aus Ton etwas formen. „Mit dem Ton zur Ruhe kommen", sagt die Keramikmeisterin und Kunsttherapeutin, und „dabei der Kreativität ihren Lauf lassen".

Steckbrief:

Name: Monika Ulbricht
Geburtstag: 30.03.1967
Geburtsort: Tegernsee
Wohnort: Rottach-Egern
Worum geht’s? Kunsthandwerk

Du entstammst einer Keramikerfamilie, die seit über 100 Jahren am Tegernsee lebt. Was hast du als „Erbe“ mitbekommen?

Unser Urgroßvater kam 1901 auf der Wanderschaft aus der Oberlausitz an den Tegernsee. Er hat sich in den See und die Berge verliebt und als Keramiker niedergelassen. Unser Vater hat später eine größere Werkstatt angebaut. Während der Ölkrise wollte jeder mit Holz heizen und es gab zwei Jahre Lieferzeit für einen Kachelofen. Damals boomte das Geschäft und es gab jede Menge Angestellte. Da bin ich hineingewachsen und das Erbe ist meine tiefe Liebe zu dem Material Ton.

Du hättest dich trotzdem für einen anderen Beruf entscheiden können, aber…

Mein Bruder wurde auch Keramiker. Wir waren damit die vierte Generation und ich habe überlegt: Mache ich das, weil es von mir erwartet wird? Ich wollte ausbrechen, habe ein Goldschmiede-Praktikum gemacht und gemerkt: Das Material ist zwar schön, aber so hart! Und: Ich liebe den weichen, geschmeidigen Ton.

Es lag also am Material?

Der Ton hat mich zurückgebracht. Ich bin leidenschaftlich gern Keramikerin. Deshalb arbeite ich nicht, weil ich muss, sondern weil ich es liebend gern mache und verbringe soviel Zeit wie möglich in der Werkstatt. Mit meinem Ausbrechen habe ich mich geprüft und gelernt: Ich möchte Keramikerin sein und nichts anders.

Inspiriert Ihr euch gegenseitig in der Familie? Und worin unterscheiden sich deine Arbeiten?

Mein Vater wusste, dass ich ein Sturkopf bin und etwas Eigenes machen möchte. Er hat uns früh einige Bereiche übergeben, damit wir bleiben. Mein Bruder hat die Kachelöfen übernommen. Ich habe mich der Malerei, den Glasuren und dem Drehen gewidmet, zusammen mit meinem verstorbenen Mann Andreas, der ein Visionär und ein Perfektionist an der Drehscheibe war. Natürlich sind viele neue Einflüsse dazugekommen. Ich habe in Faenza, dem berühmten Zentrum der Majolika-Keramik, Malerei gelernt und viel experimentiert. Dabei war mir die Meinung meines Vaters immer wichtig. Wenn er gesagt hat: „Basst scho“, war es das größte Lob. Er hat mich frei experimentieren lassen und ich habe mich in die Kacheln nicht eingemischt.

Wenn du Ton in die Hand nimmst, dann …

… betrete ich einen sicheren Ort.  Wenn ich ihn in die Hand nehme, blende ich alles andere aus und komme in eine tiefe Ruhe. Dabei ist es egal, ob ich etwas modelliere, an der Scheibe drehe oder etwas bemale. Ich bin bei mir und bei dem, was entsteht. Andere machen Yoga, meditieren oder gehen spazieren – das ist bei mir der Ton. Er bringt mich zur Ruhe. Das merke ich auch in den Kursen, besonders bei Kindern. Sie kommen manchmal sehr unruhig herein und gehen dann ganz anders wieder zur Tür hinaus.

Was ist „typisch Monika Ulbricht“?

Ich denke da beispielsweise an die Zapfen, die man im Gartenbeet oder im Balkonblumentopf aufstellen kann. Diese Zwiebelturmform zieht mich auch unterwegs an, wenn ich ungewöhnliche Kirchtürme sehe. Deren Form, die Farben, die Bemalung – das bin ich. Es ist ein schönes Gefühl, sie im weichen Ton zu formen – vom bauchigen Ansatz bis zur feinen Spitze. Wenn ich male, dann male ich am liebsten diese Zapfen.

Woran arbeitest du gerade?

In dieser Jahreszeit arbeite ich normalerweise für unseren Weihnachtsmarkt. Es ist beflügelnd zu
wissen, dass die Leute kommen und fragen: Was hast du Neues? Das ist dann mein Auftrag und Anreiz. Mein jetziges Projekt sind Krüge, die auch Vasen sein können, in unterschiedlichen Formen – Zylinder mit Rillen, anhand derer man die Spuren vom Drehen an der Töpferscheibe sieht und dass es handgemacht ist. Lange musste alles “geschleckt“ aussehen, um in den Köpfen der Leute etwas wert zu sein. Das hat sich zum Glück verändert.

Wie erklärst du diesen neuen Trend zum Unperfekten?

Früher machte nur der Kunsthandwerker Geschirr aus Keramik, alles andere war industrielles Porzellan. Inzwischen bekommt man von Ikea bis zum Dekoladen Keramik zu kaufen. Vieles ist Massenware und die Menschen sehen wieder den Wert und die Authentizität von Maßgeschneidertem. Sie wollen einen Hut vom „Huaterer“, ein Gewand von der Dirndlschneiderin und ein Geschirrservice, bei dem sie selbst auch ihre Gestaltungsideen einbringen können.

Auf diese Art sind auch die Platten für Christian Jürgens entstanden?

Das ging mit dem Schwarzbrand los, einer Holzofentechnik, die Andreas vom Ammersee mitgebracht hat. Im Holzofen nutzen wir eine Holzbrenntechnik, dann schien es nur folgerichtig, dass die Holzstruktur auch die Oberfläche prägt. Christian Jürgens wollte für sein Sternerestaurant Vorspeisenplatten in dieser Technik. Wir haben experimentiert, damit der Ton haltbarer und industriespülmaschinentauglich wird. Jetzt nutzen wir einen Hochbrandton, da kommen die charakteristischen Abdrücke von Altholz hinein. Das ergibt die unverwechselbare Oberflächenstruktur.

Was ist dein nächstes Projekt?

Wir wollen nächstes Jahr weitermachen mit dem Holzofenbrand. Das ist eine Technik, an der auch mein Sohn Julius Spaß hat. Sie erfordert einen Zeitaufwand, den wir selten leisten können. Aber jetzt mit Corona haben wir ein bisschen mehr Zeit, auch wenn uns der Existenzdruck während der anhaltenden Pandemie noch immer zeitweise lähmt. Außerdem möchte ich mehr als Kunsttherapeutin arbeiten, auch da bremst mich Corona noch etwas aus.

Hat die Ausbildung zur Kunsttherapeutin deine Sichtweise auf das Material verändert?

Wenn ich als Keramikerin mit Ton arbeite, habe ich im Kopf, was dabei herauskommen soll – es gibt eine Idee oder einen Auftrag. Als Kunsttherapeutin ist es anders: Es gibt kein Ziel. Das Ergebnis ist unwichtig – der Prozess an sich ist wichtig. Und nachher schaue ich nicht das Ergebnis an, sondern, was währenddessen passiert ist.

Was macht das Arbeiten mit Ton mit deinen Kursteilnehmern?

Kinder kommen rein und legen los, sie haben keinen Druck und „machen“ einfach. Die Erwachsenen sind oft auf ein Ziel fixiert. Manchmal haben sie auch ein Foto dabei – und da muss ich zuerst einmal den Erfolgsdruck rausnehmen und realistisch sagen: Das ist drittes Lehrjahr. Ich zeige dann, was machbar ist. Indem wir uns dem Ergebnis annähern, lernen sie auch, wie man loslassen kann.

Also spüren statt funktionieren?

Genau. Das ist immer ein Aha-Effekt: einfach nur machen und staunen, wie sich das anfühlt. 

Wer kommt alles zu dir, um einen Tonklumpen zu formen?

Manchmal sind es Firmenevents. Dann machen wir ein gemeinsames Projekt – beispielsweise jeder eine Fliese mit einem Thema, die dann ein Gesamtbild ergeben – oder alle machen einen eigenen Kaffeebecher. Dann gibt es Kindergeburtstage und lustige Junggesellinnenabschiede. Ganz oft kommen Familien – immer häufiger mit drei Generationen – oder die Oma mit drei Enkelkindern. Auch Paare oder eine Clique Freundinnen. Die einen sagen „ich wollt das einfach mal probieren“, die anderen: „das muss ich unbedingt wieder machen“. Ich bin dann oft fast unsichtbar, während unter den Menschen, während sie mit Ton arbeiten, etwas Verbindendes entsteht.

Wenn mal die Luft raus ist, wie motivierst du dich?

Ich gehe in den Wald oder auf den Berg, auf Wegen, wo keiner ist. Ich muss allein sein, mich bewegen, einfach gehen. Nach einer Weile nehme ich immer mehr die Gerüche und die Geräusche um mich herum wahr, weil sie das verdrängen, was in meinem Kopf ist und mich blockiert. Das funktioniert immer. Oder ich besuche liebe Freunde und der Austausch mit ihnen beflügelt mich aufs Neue.

Geht die Familientradition mit deinen Kindern weiter?

Julius, der Ältere, hat mal gefragt, ob er es machen muss, und nein, natürlich muss er nicht. Er studiert Soziale Arbeit und macht auch immer wieder mal etwas mit Ton oder Holz, aber er darf gern einen anderen, eigenen Weg gehen. Der Jüngere ist noch auf der Suche.

Wie inspiriert dich der Tegernsee?

Natürlich inspiriert mich die Natur: Berge und See. Abends schnell mal zum See gehen und reinspringen – die Müdigkeit und Schwere im See lassen und dann wieder auftanken.

Dein Lieblingsort am Tegernsee ist …?

… mein Geheimnis. Es hat ja damit zu tun, dass ich dort in Ruhe für mich sein kann. Für jemand anders wäre das vielleicht gar kein so spektakuläre Lieblingsplatz.

Dein Motto:

Weniger ist mehr.

 

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Impressionen

Kulturtalk Monika Ulbricht 003, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
Kulturtalk Monika Ulbricht 003

© Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)

Kulturtalk Monika Ulbricht 004, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
Kulturtalk Monika Ulbricht 004

© Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)

Kulturtalk Monika Ulbricht 005, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
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Kulturtalk Monika Ulbricht 007, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
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Kulturtalk Monika Ulbricht 006, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
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Kulturtalk Monika Ulbricht 011, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
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Kulturtalk Monika Ulbricht 010, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
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Kulturtalk Monika Ulbricht 008, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
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Kulturtalk Monika Ulbricht 009, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
Kulturtalk Monika Ulbricht 009

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