Sophie Obermüller 02, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)

Sophie Obermüller

Naturkäserei TegernseerLand

Naturkäserei TegernseerLand eG – Mutmacherbetrieb im Bergsteigerdorf Kreuth

Bio-Bäuerin und Vorstandsvorsitzende

Steckbrief:
Name: Sophie Obermüller
Geburtstag: 12.08.71
Geburtsort: Holzkirchen
Wohnort: Kreuth
Worum geht’s? nachhaltige Produzenten, Zukunft Ernährungssicherheit

In der Naturkäserei TegernseerLand geben sich gute Laune und guter Geschmack ein Stelldichein. Wo der Blick über Almwiesen und die Kreuther Bergwelt schweift, werden seit 2010 mehrfach preisgekrönte Käse und Heumilchprodukte hergestellt – mit großer Liebe zum Handwerk sowie Respekt für Natur und Tiere. Mit „Genuss auf hohem Niveau“ ist hier nicht nur das leibliche Wohl der Gäste gemeint, die im Verkaufsraum hochwertige Heumilchprodukte kaufen oder sich in den Gaststuben und auf der Sonnenterrasse verwöhnen lassen. In diesen Genuss kommen bereits die „glücklichen Kühe“ der Genossenschaftsbauern. Und genau das schmeckt man. Was alles zur Herstellung der Spezialitäten des Hauses dazugehört, kann man beispielsweise auf einer Führung erfahren. Wir haben einmal bei Sophie Obermüller, Bio-Bäuerin und Vorstandsvorsitzende der Naturkäserei TegernseerLand eG, nachgefragt.

Die Naturkäserei arbeitet genossenschaftlich. Was heißt das genau und wie ist die Idee entstanden?

Unsere Milch aus Kreuth ging früher nach Italien zur Weiterverarbeitung, da war sie mehrere Tage unterwegs. Und in den hiesigen Läden wiederum landeten Milchprodukte, die ebenfalls von weiter herkamen. Zudem war der Milchpreis im freien Fall und ein ganzer Berufsstand war in der Hand internationaler Großkonzerne und Spekulanten. „A paar Verrückte“ wollten 2007 nicht so weiter machen wie bisher. „Pack ma’s selber an“, haben sie gesagt und so wurde die Idee der genossenschaftlichen Naturkäserei geboren.

Das war ein mutiger Schritt…

Ja, das war wirklich verrückt. 5,8 Millionen mussten investiert werden, um die Weiterverarbeitung unserer Heumilch selbst bestimmen und die daraus hergestellten Produkte selbst vermarkten zu können. Das ging nur mithilfe der mittlerweile rund 1.700 Genossenschaftsmitglieder aus ganz Deutschland, die uns von Anfang an ihr Vertrauen geschenkt haben und diese Idee bis heute so großartig unterstützen. Die Landwirte mussten zwei Jahre im Voraus bei der damaligen Molkerei kündigen – da gab es noch nicht einmal eine Baugenehmigung für die Käserei. Das waren einige schlaflose Nächte, man wusste ja nicht, ob das Konzept aufgeht und funktioniert. Bereits am 1. Juni 2010 starteten wir mit der Produktion. Unsere Ziele waren und sind bis heute, eine höhere Wertschöpfung zu erzielen, die traditionelle Landwirtschaft zu stärken und damit die heimischen Landschaftsstrukturen zu erhalten.

Wie viele Heumilchbauern sind heute dabei?

Derzeit sind es 19 Höfe, alles kleine Nebenerwerbsbetriebe mit sieben bis 28 Kühen. Wir haben allesamt noch einen anderen Beruf, damit wir es uns leisten können, Bauern zu sein. (lacht) Es funktioniert nur, weil wir eine absolute Nische bedienen: Wir sind ausnahmslos Heumilchbauern mit hundert Prozent Weidehaltung. Auf einer Tafel an der Naturkäserei stehen die Namen aller beteiligten Höfe. Unser Hof beispielsweise, der Schärfhof, wurde 1283 erstmals urkundlich erwähnt. Auch um gemeinsam diese lange Tradition der hiesigen Landwirtschaft zu würdigen und zu erhalten, haben wir die Genossenschaft gegründet.

Was macht die Produkte so besonders?

Wir haben uns selbst Regularien auferlegt, teils sogar strenger als die Bio-Vorgaben. Unser Motto „Genuss auf hohem Niveau“ gilt bereits für die Tiere. Deshalb bekommen unsere Kälber ausschließlich Vollmilchtränke, was nicht selbstverständlich ist. Die Rinder dürfen nur Heu und Gras fressen, sowie eine geringe Menge an Getreide. Sie bekommen keinerlei Gärfutter oder Silage. Außerdem dürfen im Verhältnis zur bewirtschafteten Fläche nur eine bestimmte Anzahl von Tieren gehalten werden. Somit arbeiten wir in einer stimmigen Kreislaufwirtschaft, ohne Überdüngung oder Ausbeutung der Ressourcen.

Darum kennt ihr auch jedes Tier beim Namen…

Jede Kuh hat ihren Charakter und ihre Eigenheiten, auf die wir besonders in der kleinstrukturierten Landwirtschaft eingehen können, selbst beim Melken. Die Heumilch wird jeden Morgen auf kürzestem Weg melkfrisch in die Naturkäserei gebracht und sofort nach der Qualitätsprüfung weiterverarbeitet. Eine durchgängige Transparenz für unsere Lebensmittelherstellung ist uns wichtig. Das reine Naturprodukt ist die beste Ausgangsbasis und ebenso natürlich geht es weiter.

Was genau bedeutet Heumilch?

Gras und Heu aus schonender Bewirtschaftung ist das gesündeste, artgerechteste Futter für die Kuh als Wiederkäuer. Auf unseren Wiesen und (Alm-)weiden wachsen eine Vielzahl an Gräsern und Kräutern. Es wird nur zwei bis drei Mal gemäht, damit das Gras aussamen kann und die Artenvielfalt erhalten bleibt. Teilweise wird mithilfe von Belüftungsanlagen im Kondensationsverfahren nachgetrocknet, was die Nährstoffe erhält. Und das schlägt sich in der Milchqualität und im Geschmack nieder.

Die Heumilch von euren Biobauern verkauft ihr als Frischmilch. Sie ist besonders bekömmlich, auch für Menschen, die mit Milchgenuss vorsichtig sind? 

Die Heumilch hat einen hohen Wert an Omega 3 und 6 Fettsäuren. Wir arbeiten mit der Naturmilch, so wie sie uns von den Kühen geschenkt wird, ohne Standardisierung wie beispielsweise das Einstellen des Fett- und Eiweißgehaltes. Durch die kurzen Wege muss nicht extrem gekühlt, hoch erhitzt und länger zwischengelagert werden, wie sonst üblich. Bei uns sind es nur 15 Kilometer bis zum entferntesten Hof. Das ist ein großer Vorteil, echte Regionalität und aktiver Klimaschutz. Die Milch wird zudem nicht homogenisiert, also mechanisch behandelt. Wir haben begeistertes Feedback von Menschen, die seit Jahren Probleme beim Milchgenuss hatten. Unsere absolut naturbelassene, frisch verarbeitete Milch haben sie plötzlich vertragen.

Wie werden aus der natürlichen Rohmilch bei der handwerklichen Käseherstellung eure prämierten Spitzenprodukte?

Die Weiterverarbeitung der Heumilch unterliegt in unserem Fall einem Reinheitsgebot – ähnlich wie beim Bier. Wir verwenden ausschließlich Natur-Lab, Kulturen, Meersalz und Kräuter. Das schmeckt man und man schmeckt auch, dass der Käse in Ruhe reifen darf. Eine wichtige Rolle kommt der handwerklichen Käsepflege zu, die bei uns fünf Käsepfleger übernehmen. In den ersten drei bis vier Wochen müssen die Käselaibe jeden Tag gewendet und mit Salzwasser geschmiert werden. Später dann jeden zweiten, dritten Tag. Unsere Käse reifen zwischen acht Wochen bis zwei Jahre. Da kommt viel Pflegezeit in Handarbeit zusammen.

Das ist sehr aufwändig. Worin liegt der Unterschied zur industriellen Käsepflege?

Das ist nicht nur zeitaufwändig, vor allem auch körperlich anstrengend. Bei der industriellen Käseherstellung spart man sich das, indem man die Rinde mit einem Konservierungsstoff mit antibiotischer Wirkung und Farbstoffen, beziehungsweise mit einer Kunststoff- oder Wachsschicht behandelt. Diese Rinde muss man dann großzügig wegschneiden. Bei unserem Naturprodukt kann man sie selbstverständlich mitessen, denn sie ist bei gutem Käse auch ein Geschmacksträger.

Was wird alles aus eurer Heumilch hergestellt?

Aus 6.500 Litern Milch entstehen etwa 600 Kilo Käse. Wir füllen in unserer Frischeproduktion zweimal pro Woche etwa 1.000 Liter von Hand als Frischmilch ab. Außerdem machen wir Joghurt, wobei in den Fruchtjoghurt ausschließlich echte Früchte in Bio-Qualität gelangen. Einmal pro Woche stellen wir auf ursprüngliche Weise handgeschöpften Topfen her. Ein Teil der Molke geht zum Jod-Schwefelbad nach Bad Wiessee für die gesunden Molkebäder, der Rest wird zum regionalen Abwasserzweckverband gefahren, wo die Milchsäurebakterien den Zersetzungsprozess in den Klärbecken fördern.

Was sind die gefragtesten Spezialitäten der Naturkäserei?

Absoluter Renner ist der Bergkäse in sämtlichen Altersstufen, aber auch unser Weichkäse. Der Camembert ist erst kürzlich bei der deutschen Käseprüfung des VHM mit der Auszeichnung „cum laude“ prämiert worden. Mehrfache Preise gab es übrigens auf der Käseolympiade in Österreich für unseren Topfen, sowie bei den bayrischen Käseschätzen für den Hirschberger. Wir stellen je nach Saison insgesamt rund 20 unterschiedliche Käsesorten her. Die breite Produktpalette ist sehr ungewöhnlich für eine so kleine Käserei, was natürlich auch kostenintensiv und arbeitsaufwendig ist.  14 Mitarbeiter verarbeiten sieben Tage in der Woche mit großer Leidenschaft und handwerklichem Geschick unsere Milch zu diesen ausgezeichneten Produkten.

Wie organisiert ihr als kleiner Genossenschaftsbetrieb euren Vertrieb?

In wöchentlichen Touren beliefern wir insgesamt etwa 400 Handelspartner in der näheren Umgebung und dem Großraum München, dazu fahren wir auf elf Wochenmärkte. Immerhin 30 Prozent vermarkten wir direkt über den eigenen Laden im Haus und der angegliederten Gastronomie. Im Laden gibt’s die ganze Vielfalt unserer Heumilchprodukte, dazu Schmankerl anderer regionaler Produzenten.

Was erwartet die Gäste bei Führungen?

Sie erfahren Wissenswertes über den ganzen Prozess – von der Landwirtschaft, zur Verarbeitung der Heumilch bis zum Käsepflegen und der Vermarktung. Besonders beeindruckend ist immer der Blick durchs Fenster in unsere Schatzkammer – den Käsekeller. Wir haben vier davon mit unterschiedlichem Klima, im denen im Moment Käse mit einem Marktwert von rund 1 Millionen Euro lagern. Aus dem Bereich der oberen Gaststube kann man durch ein Fenster in die Hart- und Schnittkäsefertigung schauen. Ein Infofilm macht unsere Philosophie und die Fertigung noch einmal anschaulich. Und nach der Führung gibt es natürlich eine kleine Käseverkostung.

Was gibt’s im Laden und im Gastrobereich?

Michael und Evi Raphelt haben den Gastrobereich „Zur Kaserei“ gepachtet und verwöhnen die Gäste mit schmackhaften Brotzeiten, hausgemachten Kuchen – wie etwa den legendären Kaskuacha mit unserem Topfen - und typischen Gerichten aus der alpinen Region. In der gemütlichen Gaststuben im Obergeschoß haben etwa 80 Menschen Platz. Von der Sonnenterrasse aus können die Gäste mit einem herrlichen freien Blick auf die Berge unsere Spezialitäten genießen. Derweil können sich die Kinder auf dem hauseigenen Spielplatz austoben.

Ihr seid ein Vorzeigebetrieb im Bergsteigerdorf Kreuth. Was macht die Bergsteigerdorf-Philosophie für euch aus?

Ohne den Tourismus wäre der Erfolg der Naturkäserei nicht möglich. Die Menschen, die die Natur und die Berge schätzen, schätzen auch unsere Produkte und unsere Arbeit. Das ist wichtig für unsere Landwirte, die wiederum durch ihre wertvolle Arbeit die Landschaftsstruktur erhalten, ohne diese die Urlauber und Tagesausflügler nicht ins Tal kommen würden. Außerdem stehen wir für die Ernährungssicherheit abseits globaler Strukturen. In der Käserei und am „coolen Kollegen“, unserem Käseautomaten auf dem Parkplatz, kann man sich jederzeit mit einer gescheiten Brotzeit für schöne Aktivitäten und Touren in unserem Bergsteigerdorf eindecken.

Ihr arbeitet rundum nachhaltig. Was gehört außer der Heumilchproduktion noch dazu?

Unsere Energieversorgung ist ebenfalls nachhaltig. Die Hackschnitzelheizung wird mit Holz aus heimischen Wäldern versorgt, dabei ist auch die Bewirtschaftung des Bergwaldes ein wichtiger Faktor, etwa für den Lawinen- und Erosionsschutz. Auf dem Dach haben wir eine Photovoltaikanlage und es ist eine sogenannte Grundwasserkühlung installiert.

Was sind bei eurer Arbeit die größten Herausforderungen?

Die Qualitätsstandards zu halten und auch als Genossenschaft gemeinsam vorwärtszukommen ist uns wichtig. Und dass wir bei allem Erfolg nicht stehenbleiben, sondern uns weiterentwickeln. Mit Wolfgang Rebensburg und Josef Stadler im Vorstandsteam der Genossenschaft kommen wir gut voran. Eine große Herausforderung ist auch ein günstiger Wohnraum für die Mitarbeiter.

Im Rahmen der Veranstaltung „Natürlich! Kreuth.“ bietet ihr eine „Kuhl Tour“ an mit Stallführung am Schärfhof und Führung in der Naturkäserei…

Sie richtet sich an alle, die neugierig sind auf einen Besuch im „Wohlfühl-Stall“ auf unserem Hof, wo man sehen kann, wie unsere vierbeinigen Mitarbeiterinnen „Godl, Ricola oder Ramona“ täglich für den hochwertigen Rohstoff „Heumilch“ sorgen. Dabei lässt sich der ganze Prozess miterleben: Von der Kuh bis zum Käse. Und wer möchte, kann Stallführung und Käsereibesichtigung gleich mit einem schönen Spaziergang verbinden.

Welche Rolle spielen die Almen als Teil der Kulturlandschaft?

Unser gesamtes Jungvieh verbringt die Sommerfrische auf den Almen. Dadurch werden sie nicht nur gesund und kräftig, sie pflegen auch die Landschaft und halten sie buschfrei. Ohne die Rinder als Landschaftspfleger würden auf unseren Freiflächen beispielsweise keine 80 unterschiedlichen Orchideenarten wachsen.

Verrätst du deinen Lieblingsplatz im Tegernseer Tal?

Der ist direkt vor unserer Haustür. Im Innenhof haben wir eine Sitzecke mit Blick auf eine freie Fläche, weil wir die Wiesen selbst bewirtschaften und nicht verbaut haben. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf den Hirschberg und die Blauberge.

Motto:

Der schönste Weg in eine gute Zukunft führt über den respektvollen Umgang mit Mensch, Tier und Natur.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Naturkäserei TegernseerLand eG: www.naturkaeserei.de

Impressionen

Sophie Obermüller 03, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)
Sophie Obermüller 03

© Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)

Sophie Obermüller 01, © Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)
Sophie Obermüller 01

© Der Tegernsee (Sabine Ziegler-Musiol)

Sophie Obermüller 04, © Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)
Sophie Obermüller 04

© Der Tegernsee (Thomas Plettenberg)

Sophie Obermüller 05, © Der Tegernsee (Ines Wagner)
Sophie Obermüller 05

© Der Tegernsee (Ines Wagner)