Ines Wagner interviewt Skispringer Moritz Baer, © DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann

Skispringer Moritz Baer

Von Schanze zu Schanze

Was könnte es Schöneres geben? Beim Treffen mit Skispringer Moritz Baer liegt das Tegernseer Tal im ersten durchgängig weißen Schneekleid – perfekte Kulisse für das Interview beim Strandbad Kaltenbrunn in Gmund am Tegernsee mit dem Skisprungtalent. Zapfig ist‘s, und der heiße Tee wärmt. Mit etwas Glück haben wir Moritz für ein Interview erwischen können – bevor es losgeht mit den ersten Wettkämpfen in Finnland.

 

Steckbrief:
Name: Moritz Baer
Geburtstag: 16.05.1997
Geburtsort: München
Wohnort: Berchtesgaden 
Sportart/Disziplin: Skispringen
Verein: SF Gmund/Dürnbach  

 

Wie kommt man aufs Skispringen? 

Die skibegeisterten Eltern fuhren mit dem 7-jährigen Moritz in den Norwegen-Urlaub. In Lillehammer bekam ihn dann der Vater erst nach 3 Stunden wieder von der Schanze weg, so fasziniert hat er dagestanden. Drei Stunden, die ausgereicht hatten, einen Wunsch zu manifestieren – und vier Jahre hat es dann noch gedauert, bis er sich erfüllte. Die Familie war inzwischen von München nach Langgries gezogen und der Vater hatte den Hoffmann Schorsch vom Skisprungverein in Gmund ausfindig gemacht. Als Elfjähriger stand Moritz zum ersten Mal in Berchtesgaden auf einer 15-Meter Schanze. Wie sich der Moment angefühlt hat? Zunächst einmal gar nicht so herausfordernd, denn die selbstgebauten Schanzen beim Skifahren waren auch hoch, schmunzelt er: „So richtig los geht es erst mit einer 60-Meter Schanze“. 

 

Vom Hobby zum Beruf 

Neben dem Skifahren spielte er als Kind auch Feldhockey (lacht: „das kennt im Oberland sicher kaum einer – so eine Art Eishockey auf dem Rasen“) und machte Judo. Aber im Winter gab es nur eines: mit der Saisonkarte möglichst jeden Tag nach der Schule, jedes Wochenende auf die Piste – und Skispringen. Mit dem Fachabitur 2015 ging er schnurstracks zur Bayerischen Polizei in die Spitzendsportförderung nach Ainring. Nach fünf Jahren ist er inzwischen fertig ausgebildeter Polizist, arbeitet in der Sportfördergruppe und ist als Leistungssportler freigestellt für den Sport – die meiste Zeit des Jahres.  

 

Über die Möglichkeiten, die es für Nachwuchssportler in Deutschland gibt, ist er froh: „Man kann ja nicht sein ganzes Leben seinen Eltern auf der Tasche liegen“. Dass es für Sportler sogar mehrere Optionen gibt, nämlich Ausbildungsplätze bei Bundeswehr, Polizei und Zoll, begeistert ihn, denn es ist nicht überall selbstverständlich: “Österreich, die Skisprungnation schlechthin, hat beispielsweise nicht so ein gutes System.“  

 

Über Erfolge und Niederlagen 

Für Moritz Baer ist und bleibt die Vierschanzentournee das größte Highlight: „Wenn man weiß, man darf da mitfahren, unter den ersten fünf Startnummern … das ist schon Wahnsinn!“ Nicht nur die sportliche Herausforderung, auch die Atmosphäre begeistert: „Bei der Qualifikation sind 20.000 Leute unten im Stadion und bei den Deutschen geht’s dann immer voll ab“, beschreibt er begeistert, „dann stehst du da oben und spürst, wie der ganze Turm bebt, also das ist schon ein Highlight“.  

 

Aber es gibt auch bittere Momente und damit hat es ihn im letzten Jahr ebenfalls bei der Vierschanzentournee erwischt. Nachdem er in Garmisch bereits für Innsbruck und Bischofshofen qualifiziert war ist er beim Training krank geworden, musste abreisen und konnte die Tournee nicht fertig springen: „Erst das Hoch: Ja, ich kann sie mitfahren! … und dann die Enttäuschung. Das war der absolute Tiefpunkt.“ 

 

Wie kommt man aus so einem Loch wieder raus? 

„Erst mal gesund werden“, das sei das wichtigste. Und dann gegen die Abwärtsspirale ankämpfen, die sich oft in solchen Situationen einstellt, „aber dann hilft nur die Routine wieder raus und man trainiert weiter, setzt sich Ziele, wird wieder besser und irgendwann ist das Tief auch wieder überwunden.“ Er weiß, dass im Profisport die negativen Erlebnisse häufiger vorkommen, aber die positiven sind dann umso schöner: „Es gibt Tage, da holt man sich für Wochen und Monate die Motivation“ ist seine Erfahrung.  

 

Im Corona Jahr - fit für die neue Saison? 

Dieses Jahr hat sehr regional stattgefunden – beispielsweise mit einem Krafttraining zu Hause per Kamera und FaceTime, weil Moritz‘ Trainer in Salzburg sitzt. Erst im Mai konnte langsam auch wieder mit dem Springen begonnen werden, auch das hauptsächlich in Deutschland. Die meisten internationalen Wettkämpfe sind weggefallen, nur zweimal war er in Polen – zum Weltcup und Continentalcup der zweithöchsten Liga – und bei der Deutschen Meisterschaft. Die Wettkampfsituation hat ihm gefehlt – dass „sich messen“. Auch wenn der Deutsche Skiverband nach den Lehrgangsreihen immer interne Wettkämpfe um die Startplätze für den Herbst organisiert hat.  

 

Vom Training her fühlt sich Moritz daher komplett gut gerüstet, weil dieses Jahr viel mehr Zeit dafür war. „Aber irgendwann will man eben auch mal loslegen“, sagt er mit vorfreudiger Ungeduld, „man macht das ja schließlich nicht fürs Training, sondern um sich im Wettkampf zu messen“.  

 

Wie siehst die Zukunft des Wintersports aus?  

„Fürs Skispringen selbst ist alles noch ziemlich lang umsetzbar“ meint Moritz zuversichtlich, „denn du brauchst nicht so viel Schnee für so eine Schanze, es ist ja nur ein gerader Strich nach unten“. Trotzdem sieht er deutlich, dass ohne Kunstschnee im Winter schon fast gar nichts mehr geht und sich alles verschiebt: „Später und auch extremer“ seien die Winter geworden. „Aber wir werden vielleicht eine der letzten Wintersportarten sein, die vor dem Aus sind, und im Notfall springen wir eben auf Matten“, meint er. „Ist zwar dann kein Wintersport mehr, aber der Sport funktioniert auch im Sommer.“ 

 

Und der verrückteste Ort in seiner Karriere? 

Sportlich gesehen ist es für ihn als Skispringer Iron Mountain in Michigan, Nordamerika, wo es nichts außer Highway, Walmart und paar Hotels gibt – und eine uralte Skisprungschanze. „Unten sind ungefähr 15.000 Leute. Aber die sitzen alle in ihre Pickups, keiner steigt aus. Und immer, wenn ein Springer kommt, sagt der Sprecher ‚Give me a horn‘ - und dann hupen alle“, beschreibt er lachend die Situation. „Es ist saukalt da oben, du hockst bei -25 Grad auf einem windschiefen Holzgerüst, denn das ist eine wirklich alte Schanze, und immer, wenn einer springt, kommt dann so ein Hupkonzert. Das ist wirklich total schräg.“ 

  

Aber auch Asien sei verrückt, ihm tauge das Essen und die fremde Kultur. Beispielsweise ein Wettkampf in Sapporo, der noch genügend Freiraum ließ, sich am Abend in der Stadt umzusehen. Als er mit seinen Kollegen bei einem Sushi Koch landet, der vor ihren Augen einen lebenden Fisch aus dem Aquarium nimmt, filetiert und damit den Reis belegt: „voll der Kulturschock“, erzählt er begeistert. 

 

Wenn Moritz sich einen Wunschort auf der Erde aussuchen könnte, wäre das „höchstwahrscheinlich eher ländlich, in den Bergen, wo man Ski fahren kann.“ Und was er mit einer Million Euro Gewinn anstellen würde? „Wahrscheinlich einen Bus kaufen, zum Camper ausbauen und durch die Gegend fahren“, meint er, „oder meinen Eltern einen Grund kaufen, dass sie sich ein Haus bauen können.“ 

 

Und wenn er im Winter mal einen Tag daheim ist, geht er am liebsten Tiefschneefahren, wenn es sich ergibt. Leider bleibt wenig Zeit für andere Wintersportarten. Aber über Weihnachten, wenn er zu Hause ist, geht er mit der Familie gern Skifahren. Seine Eltern haben die Alpen Plus Karte und je nach Schneelage und Wetter fahren sie dann im Skigebiet Spitzingsee-Tegernsee oder am Brauneck in Lenggries. Und nach dem Skifahren gibt’s dann eine warme Suppe oder ein Schnitzel mit Pommes, da freut er sich jedes Mal drauf: „A Schnitzel geht immer!“ Denn das gibt es nach dem Wettkampf eher nicht.  

 

Das ist für Moritz „typisch Tegernsee“: 

„Das Bier! Wenn ich mal ein Bier trink, dann trink ich ein Tegernseer. Ich nehme mir auch immer mein Bier nach Berchtesgaden mit. Auch wenn dann alle lachen, aber es ist nun mal das beste Bier.“ 

 

Moritz‘ Tipp für einen Tag am Tegernsee: 

„Im Elektroboot über den See fahren, kurz reinspringen und am Abend eine Schweinshaxn im Bräustüberl.“ 

 

Moritz` Lebensmotto – auch als Tipp für Nicht-Sportler:  

„Scheiß dir nix, dann fehlt dir nix.“ 

Impressionen

Ines Wagner interviewt Skispringer Moritz Baer, © DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann
Ines Wagner interviewt Skispringer Moritz Baer

© DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann

Tee mit Moritz Baer am Tegernsee, © DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann
Tee mit Moritz Baer am Tegernsee

© DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann

Skispringer Moritz Baer, © DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann
Skispringer Moritz Baer

© DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann

Moritz Baer im Gespräch mit Ines Wagner, © DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann
Moritz Baer im Gespräch mit Ines Wagner

© DER TEGERNSEE, Isabelle Munstermann